Festival: Blues Camp 2024 - Göhren auf Rügen (DE)

Veröffentlicht am 22. Mai 2025 um 23:18

Blue Wave Binz und Blues Camp Göhren – In jedem Juni versammeln sich in einem beschaulichen und wunderschönen Landstrich Rügens wiederkehrend seit 1997 die Blues-Jünger aus nah und fern. Ein Name ist über unsere regelmäßige Berichterstattung aus Binz immer wieder gefallen, auch diesmal sehr oft.

Das ist unausweichlich, denn das Verbindungsglied zwischen beiden Veranstaltungen Blue Wave Binz und Blues Camp Göhren ist seit Anbeginn der vielfach preisgekrönte deutsche Blues-Schlagzeuger Micha Maass aus Berlin. Ein leidenschaftlicher, fachkundiger, immer sehr konzentriert wirkender Blues-Fanatiker auf und neben der Bühne, der für beide Festivals und etliche andere Projekte, wie beispielsweise als Kurator die beiden Blues Cruises 2017 (Mittelmeer West) und 2019 (Benelux Nordsee) mit der MS Berlin, seit Jahrzehnten sehr viel Arbeit und Zeit investiert, wie uns seine Frau verriet. Micha Maass: „Mittlerweile steckt hier mein halbes Leben drin !!“ Da wir selbst in solchen komplexen Projekten involviert sind, wissen wir was Micha und zwangsweise auch seine Familie dabei so aushalten müssen. Aber er wirkt immer sehr entspannt, ist äußerst präsent, megaaktiv und tatkräftig, gefühlt fast immer am Schlagzeug mit dabei und darüber hinaus während seiner Auftritte in ganz Europa immer suchend nach neuen Talenten. Er verriet uns, gerade im Blues Camp angekommen, das er für die nächste Saison auch schon wieder neue Ideen und einiges an Krachern auf seinem Zettel stehen hat. Wir sind natürlich sehr gespannt, haben aber nicht nachgefragt, auch wir wollen uns wieder überraschen lassen. Wie bei einem Marathon sind nach der Hälfte der Strecke zwar schon erste Ermüdungserscheinungen zu vermelden.

Aber kurz durchgeschnauft und weiter geht es mit dem zweiten Teil des Programms in der weitläufigen Freizeitanlage Regenbogen direkt am alten Göhrener Bahnhof mit seiner Nostalgie-Dampf-Eisenbahn Rasender Roland. Auch hier eine Verbindung, sozusagen per Gleisbett von Binz nach Göhren. Das pfeifende Signal der Lokomotive begleitet uns auch diesmal wieder über die kompletten zwei Wochen Rügener Blues-Gipfel. Micha konnte wieder viele Musiker, Teilnehmer und Blues-Freunde überreden, am Blue Wave direkt anschließenden Blues-Camp teilzunehmen. Auch wir waren dabei und völlig überrascht was da wieder so alles gelaufen ist. Die Strand-Party konnte leider wetterbedingt, tragisch am einzigen Tag mit fast durchgängig Regen, erneut nicht am schönen Sandstrand der Ostsee und bedauerlicherweise ebenso nicht wie letztes Jahr in den Außenanlagen des Regenbogen Camp stattfinden. Improvisieren war angesagt, also etwas was Blues-Musikern mit in die Wiege gelegt wird. So trugen die Musiker aus allen Winkeln des weitläufigen Areals ihre Instrumente und Equipment zusammen und die Party stieg nach kurzem Aufbau überdacht und regensicher in Bar und Rezeptions-Halle. Ein vielköpfiges Blues-Orchester verschiedenster Instrumente, es wurde immer wieder auf einzelnen Positionen gewechselt, ein kommen und gehen, am Ende war es schwer auszumachen wer ist Zuschauer, Musikant, Gastspieler, Personal. Und diese fast schon intime Art des gemeinsamen Zusammenkommens ist nun jeden Abend der Zielpunkt der Blues-Nachtschwärmer bis weit in die Nacht. Bild unten rechts: Jan Mohr & Jan Hirte

Beim Blues Camp Göhren, inzwischen seit 2004 auch schon die 19. Auflage, wie mir von Micha Maass und einigen anderen bestätigt wurde, ist es ein wenig wie bei den Prog-Kreuzfahrten Cruise To The Edge. Ein jährliches Familientreffen von Künstlern und Fans, die eine Woche auf engsten Raum zusammenkommen, sich in unterschiedlichsten Konstellationen treffen zum gemeinsamen Musizieren, quatschen, feiern und daraus entstehende Aktionen, Sessions, Präsentationen. Das verbindende Element ist die Leidenschaft zur Musik, hier auf Rügen alle Spielarten des Blues. Der abendliche 3-stündige Programm-Ablauf wurde auf Wunsch der Seminar-Teilnehmer dieses Jahr etwas geändert. Zu Beginn täglich 20:00 Uhr Musik der Blues-Profis, dann kurze Auftritte verschiedener Projekte der erfahreneren Seminar-Teilnehmer, Abschluss circa 22:30 Uhr jeweils mit Konzerten eines oder mehrerer Dozenten, teilweise mit Gästen. Danach Sessions mit offenen Ende in der Bar und Rezeption-Halle. Was diesmal abendlich auf der kleinen Waldbühne und später in der Bar bei einzigartiger-Live-Atmosphäre abging beschreiben wir Euch kurz.

Das Prager Familien-Trio um Musikantin Petra Börnerová spielt, wie letztes Jahr Virgina & Skybenders, nach ihren zwei Auftritten in Binz noch ab 20:00 Uhr ein ebenso schönes dreiviertelstündiges Konzert hier in Göhren. Wieder eine würdige Eröffnung des Blues Camp und die aus allen Ecken Deutschlands, und darüber hinaus, angereisten blueshungrigen Zuschauer sind begeistert und zeigen das auch deutlich. Die restliche Zeit des Abends bis zum täglichen Zapfenstreich um 23:00 Uhr ist eine durchgängige Eröffnungssession die von wechselnden Formationen aus Dozenten und Teilnehmer bestritten wurden. Die ständigen Wechsel an Instrumenten und Mikrofonen ist sehr anspruchsvoll für die Technik, die meistert das aber wie seit Jahren und wie noch am Nachmittag in Binz unfassbar professionell. Am nächsten Tag eröffnet Dozent und Harmonika-Lehrer der Nation Dieter Kropp mit seiner famosen Combo den Blues-Abend, Dozent und Gitarren-Akrobat Dave Goodman beschließt diesen Tag. Natürlich ist dann nur auf der Außenanlage Stille eingekehrt, weitergefeiert wird in den Räumlichkeiten der Freizeitanlage oder in den Hütten der Teilnehmer und Musiker. Über die umgezogene Strand-Party haben wir ja bereits berichtet. Am Mittwoch zeigt sich dann pünktlich zum Startschuss an der Bühne des Amphitheaters wie breit das Programm in Göhren, aber auch Binz, auch 2024 wieder aufgestellt worden ist. Aus der brodelnden alternativen Berliner Szene ist Urgestein Uwe Franz Arens (Zatopek, Wedding) mit seinem neuen Projekt Franz & Fürstin an die Ostsee angereist. Er und seine Fürstin hatten eine erstklassige Band und Liedgut dabei, ein überraschend ungewöhnliches Repertoire, das fast kein Genre auslässt und uns ein wenig an Rockmusik-Kabarett erinnert. Diese Wundertüte war sehr ausgefallen, aber im Vortrag kurzweilig und erfrischend wie eine Ostsee-Brise. Nach dem Session-Block schließt Meister-Basser Tobi Fleischer den Abend auf der Bühne ab und bringt mit seinem Solo-Programm Tieffrequentes Wunderland auf den dickeren Saiten das Publikum zum Staunen.

Am nächsten Tag steht das Berliner Blues-Therapeuten-Quartett The Midnight Shakers um Front-Dame Angela Cory, die hatte schon am Sonntag bei der Session in Binz ohne ihr Saxofon überzeugt, an erster Startposition. Wieder so eine junge Truppe, Gitarre: Jakob Deider (Apfeltraum, Kat Baloun), Bass: Norman Winkler (Yellow Cap), Schlagzeug: Andrzej Kownacki (Lucky Troubles, Dodge Boogie), die mit extremer Spielfreude und einer modernen Präsentation Überraschung in die Gesichter vor der Bühne zaubert. Die Band war auch nach dem Auftritt immer in Gespräche verwickelt, auch mit uns, dadurch haben wir unter anderem erfahren das deren Debüt kurz bevorsteht. Und auch am Freitag gibt es zwei phänomenale Darbietungen. Mit der Dänisch-Deutsch-Blues-Brüderschaft Tim Lothar Petersen (Gitarren) und Holger „HoBo“ Daub (Harmonika) reisen wir traditionell akustisch mit schönen Eigenkompositionen sehr gefühlvoll zu den Ursprüngen mit kraftvollen Delta-Blues. Und diesmal beschließen die bereits in Binz frenetisch gefeierten Jones And The Crew den Bühnenabend. Keine Frage, das Fachpublikum möchte Txako, Carlos, Matthias & Jan einfach nicht von der Bühne lassen. Den Abschluss des Festivals macht diesmal am Samstag ein zweites Urgestein der Berliner Szene. Der Blues-Chansonier und Lied-Poet Peter Behne und die Blues-Camp-Allstar-Band setzen das letzte Ausrufungszeichen bis kurz vor Mitternacht. Mit Rio Reiser; „Es ist vorbei, bye, bye, Junimond, es ist vorbei“; und dem Mond über dem Camp ist es vorbei. Bilder unten: Holger „HoBo“ Daub (Harmonika) & Tim Lothar Petersen (Gitarren)

Was uns besonders freut und den wunderbaren Geist der über dem Blues Camp schwebt wiederspiegelt, ist wie alle hier Anwesenden; ob Personal des Regenbogen Camp, Techniker, Kurgäste, Dozenten, Band-Mitglieder, Seminar-Teilnehmer, selbst Camping-Gäste; wie eine große Familie agieren. Viele Teilnehmer sind seit 2004 hier dabei und fast alle kommen auf uns Frischlinge zu wie gute Kameraden. Natürlich, wir treffen den einen oder anderen auch bei anderen Veranstaltungen, die Schnittmenge von dieser breiten Präsentation von Blues zu anderen Musikrichtungen ist denn auch enorm groß. Aber es ist für uns schon nach dieser kurzen Zeit wie ein nach Hause kommen und die Sehnsucht auf das nächste Mal steigt Richtung Abreisetag. Alle hier tragen zu dieser großartigen Atmosphäre bei und es werden wieder mehr die nach solchen schönen Veranstaltungen suchen. Man kann nur hoffen, das Micha Maass, ein Bewahrer des modernen Blues, gesund bleibt und weiter motoviert ist, für uns alle (siehe oben), weitere Blue Wave Festivals und Blues Camps zu organisieren. Wir denken, ein passendes Schlusswort für zwei, wie bereits schon gesagt, preisverdächtige zeitgemäße Veranstaltungen. [B_T: Christa & Roland Koch]

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