Mit Gepflegten Zwölftaktern Klein aber Fein im Blues-Himmel – Meine diesjährige lange Pilgerreise auf den Spuren des aktuellen, authentischen Blues in deutschen Landen hat mich bereits durch fast ganz Deutschland geführt. Von verschiedenen Club-Veranstaltungen in Castrop Rauxel im nördlichen Ruhrgebiet, zum internationalen Spektakel Schöppingen ins Münsterland.
Weiter auf die Insel Rügen nach Binz und Göhren, dann zum Blues-Gipfel und ein paar Tage später ins dörfliche Petershagen nähe Porta Westfalica direkt an die Weser. Und es werden noch einige feine Stationen folgen. In meinen Gesprächen fallen dabei immer wieder bekannte Namen und ich spüre bei all diesen aufschlussreichen Dialogen was Besucher, Veranstalter, Künstler, selbst Anwohner und Zuarbeiter, die so viel Mühen und Zeiten auf sich nehmen, unermüdlich antreibt. Es ist über alles, wie seit über 100 Jahren, immer noch der verbindende Geist des Blues. Hier im Wesertal in Nordost-Westfalen, organisiert eine verschworene Blues-Gemeinde, später wurde daraus der 2012 gegründete Förderverein Freunde Des Gepflegten Zwölftakters e.V., seit über 20 Jahren Bluesveranstaltungen. Zuerst in einer alten historischen Mühle im Ortsteil Großenheerse und nun seit vielen Jahren vor allem wegen Platzmangel in einem sehr alten, liebevoll und perfekt restaurierten über 300 Jahre alten Drei-Ständer-Hallenhaus, das heute Kulturdenkmal und auch das Westfälische Weiß-Storch-Museum ist. Das historische Gebäude-Ensemble und dazugehörige Gelände hat eine wechselvolle Geschichte, lohnenswert sich auch damit zu beschäftigen, das ist aber ein ganz anderer Themenkreis. Und mal ganz ehrlich, gibt es bessere Plätze als diese Kultstätten, um den Blues gemeinsam zu huldigen ?? Ich finde zu den Wurzeln der modernen Musik gehören auch Verästelung menschlicher Begegnungen. Mich kribbelt es immer im Rücken, wenn ich solche magischen Stätten, ich habe davon unzählige auf fast allen Erdteilen dieser Welt besucht, betrete und mich damit mental verbinde oder sogar wie hier vernetze. Wenn ich darüber hinaus auch noch auf leidenschaftliche Menschen wie Adi Meyer, Horst Wallbaum und die vielen anderen Mitglieder des Vereins treffe, die mit Stolz über die Geschichte erzählen und über Veranstaltungen berichten, dann schlägt mein Herz mit ihnen in Resonanz, und natürlich hier im Blues-Rhythmus. Letztes Jahr habe ich ja über das wunderbare 4-tägige Jeinsen Blues Fest berichtet. Mit dem dortigen imposanten Kleukers Vierseitenhof, der historischen Dorfkirche und der gepflegten Bebauung fast eine Kopie dieser dörflichen Spielstätte, ein ebenso großartiges Menschen-Kollektiv das diese Veranstaltung trägt, eine genauso schöne Örtlichkeit. Aber nicht wie hier der Ortsteil Windheim im nordöstlichsten Zipfel von NRW, nahe den Weserauen, sondern in Niedersachsen südlich von Hildesheim und Hannover. Aus diesen ländlichen Regionen um Teutoburger Wald und Harz stammen fantastische deutsche Blues-Musiker, Andreas Arlt, Richie Arndt, Andreas Bock, Gregor Hilden, Michael Van Merwyk, Till Seidel und viele mehr. Was ich beim meinem achtstündigen Aufenthalt bei der 15. Bluesnacht Petershagen erlebt habe, möchte ich euch schildern. Bilder unten: Gewinner German Blues Award 2019 & 2022
Bluesnacht Petershagen – Gewinner German Blues Award 2019 & 2022
Ich bin erfreulicherweise recht früh im idyllischen Ortskern von Petershagen-Windheim angekommen. Für genügend ausgeschilderte Gast-Parkplätze ist gesorgt, es gibt sogar in der Nähe des Storchen-Museums einen Reisemobil-Standplatz im Grünen mit Sicht auf die Bühne. Schon auf dem Weg zum Gelände habe ich mit vielen Leuten gesprochen, ich komme langsam auf Betriebstemperatur. Was ein schöner Ort denke ich als ich auf den Einlass mit zwei freundlichen Gesichtern zulaufe, man fühlt sich willkommen bei den Gepflegten Zwölftaktern. Gleich mal mit dem Zwölftakt-Vorsitz Adi & Horst gequatscht und dabei viele interessante Infos bekommen. Bis auf die Franzosen um Bernard Sellam sind die Künstler schon eingetroffen, den Technik-Check habe ich schon bei Zufahrt nach Windheim gehört, Dom Martin (Dom Martins Savages: Gesang, Gitarre) und seine zwei Tour-Kumpels Aaron McLaughlin (Schlagzeug), Ben Graham (Bass) aus Belfast stehen locker am Stehtisch und stimmen sich auf ihren letzten Auftritt der Tour durch Benelux und deutschsprachige Raum ein. Wie mir Ben verriet, reist die Truppe am nächsten Tag zurück in die Heimat Nordirland. Und ich sage es gleich, es wurde bei besten sommerlichen Wetter ein energiegeladener, würdiger letzter Auftritt dieses Teils der Buried Alive Tour 2024, den Dom zum Schluss mit emotionalen Dankesworten und gestenreich abschließt. Was ein feiner Kerl ohne irgendwelche Starallüren. Jedoch hat Dom Martin auch schon viele Erfolge zu verzeichnen in seiner erst kurzen Karriere, er eroberte ab 2019 die europäische, englischsprachige Blues-Szene im Sturm. Er wurde mehrfach für seine Blues-Arbeit ausgezeichnet, bekam einen renommierten europäischen Preis 2019, in England sogar eine Auszeichnung viermal hintereinander und ist sogar in die englischen Blues Hall Of Fame aufgenommen worden. Nicht unverdient wie ich meine, denn Dom ist ein aktiver Bewahrer der rockigen Blues-Geschichte der Nordsee-Inseln. Den 15-minütigen Einstieg bestreitet der junge Gitarrist akustisch und mit seiner eingängigen Stimme als Solist. Schon jetzt beweist er was man mit einer Akustischen so alles machen kann, nutzt gekonnt die moderne Technik, schafft damit einen dynamischen Klangteppich der einer kompletten Band in nichts nachsteht. Welch ein passender und feuriger Auftakt im inzwischen gut besuchten Areal. Dann bittet er seine beiden gleichalterigen Kollegen auf die Bühne und weiter geht es mit dem irischen Blues-Rock-Express. Da Dom von der grünen Insel stammt, spielte er auch Lieder von zwei von uns beiden verehrten Blues-Rock-Legenden Rory Gallagher und John Martyn. Das Trio spielt sich über fast 90 Minuten traumwandlerisch die Bälle zu, auch Schlagzeug und Bass bekommen immer wieder genügend Raum für kurze explosive Exkursionen, werden dann von der führenden Hand Dom’s wieder souverän in das Gesamtgefüge zurückgeführt. Dom Martin spielt auch mehrfach an der seitlich offenen Bühne für die dortigen „Zaungäste“ oder springt einmal sogar spielend von der Bühne und rennt mit gezückter Gitarre und wehender Mähne mitten hinein in die Menge der begeisterten Zuschauer, verschwindet dort beim Bad in der Menge. Sehen konnte ich Dom nicht mehr, aber ich hörte sein kontinuierliches kraftvolles Gitarrenspiel. Dann trat er plötzlich spielend aus einem begeisternden Mob heraus, war wieder am Bühnenrand und kehrt in den Kreis seiner spielenden und grinsenden Kollegen zurück. An Aktionen und puren kraftvollen Blues mangelt es bei den drei irischen Recken nicht. Auch bei meinen vorherigen Pilger-Stopps 2024 haben mich die jungen Wilden mehrfach regelrecht in den Bann gezogen; Bywater Call, Cinelli Brothers, Eddie 9V, Muddy What?, Skybenders, Wake Woods und hier in Petershagen auf Startplatz Eins die Nordiren um den sympathischen Dom Martin. Im Zentrum des kurzweiligen Auftritts stand mit sechs Titeln das aktuelle Album Buried In The Hail, daran war auch Tieffrequenzer Ben Graham beteiligt und das Album verkaufte sich nach dem Konzert massenhaft. Mich hat das bärenstarke Trio mit ihrer besonderen Mixtur aus traditionellem Liedgut und eigenem Material voll überzeugt. Das fachkundige Publikum sah das ähnlich, wollte die irischen Jungs nicht von der Bühne lassen. Schade, aber die beiden nächsten Bands standen schon an den Startblöcken.
15. Bluesnacht Petershagen 2024 – Dom Martin Trio (IRL)
Nach einer kurzen Umbaupause, enterte nach einem kraftvollen irischen Trio dann eine kleine Big-Band die Bühne, welch ein kontrastreicher Wechsel des Staffelstabs. Der 60-jährige Schweizer Liedschreiber, Sänger und Gitarrist Philipp Fankhauser aus Thun ist seit unglaublichen 50 Jahren vom Blues infiziert, hat sich lebenslang in vielen Funktionen intensiv mit seiner Liebe zur schwarzen Musik beschäftigt. 1977 gründete er in Locarno seine erste Schülerband, 1987 als inzwischen etablierter Blueser die Checkerboard Blues Band, 2000 ging diese Band ein letztes Mal auf Konzerttour durch die Schweiz. In Europa arbeitete er lange mit Vokalistin Margie Evans und in den USA mit der inzwischen verstorbenen Texas-Blues-Legende Johnny Copeland zusammen. Den verehrt er bis heute und er spielt beim Auftritt in Petershagen mehrere Lieder seines Lehrmeisters. Mit inzwischen 17 veröffentlichten Alben und dutzenden Touren, auch mit Funkhouseblues und seiner Blues Band, mit über 3.000 Auftritten ist Philipp Fankhauser seit Jahren der Schweizer Exportschlager in Sachen Blues. Er ist unermüdlich, spielt mit seinen stabilen Mannschaften immer auf höchstem Niveau und verdiente sich damit den Respekt der weltweiten Bluesgemeinden. Auf der Three Times Twenty Tour 2024 bringt Philipp Fankhauser und seine famose Band die beliebtesten und bekanntesten, zum Teil prämierte Songs der letzten Jahrzehnte zurück auf die Live-Bühne, er zelebriert damit auch bei jedem Konzert würdig seinen sechzigsten Geburtstag. Blues-Legende Philipp Fankhauser feiert zusammen mit seiner Lucille Gibson-Gitarre und mit Bandleiter Richard Spooner (Schlagzeug), Hendrix Ackle (Keyboard, Hammond, Piano), Flo Bauer (Gitarre), Andy Tolman (Bass), Daniel Durrer (Saxophon), der Crew Ruedi Schweizer und Nörbs sowie natürlich mit seinem begeisterten Publikum. Sogar Gitarrist Andreas Arlt, Gründer von B.B. & The Blues Shacks aus Hildesheim, ist für zwei Lieder von der Band eingeladen als Mitspieler. Philipp sitzt zeitweise auf einem Barhocker, weil er noch etwa schwach auf den Beinen ist wegen einer kürzlich durchgeführten Stammzellenkur wie er selbst sagt. Wer Fachkundig ist, der weiß das man so etwas besonders bei sehr schweren Erkrankungen bekommt. Ich möchte hier aber nicht spekulieren, sondern mich auf das hier bei der 15. Bluesnacht Petershagen erlebte konzentrieren. Philipp Fankhauser Ende 2023: „Ich kann es kaum erwarten, mich anfangs des nächsten Jahres mit neu gefundener Gesundheit in die nächste Lebensphase aufzumachen. Ich freue mich außerordentlich und bin gespannt, wie sich dieses neue Leben anfühlen wird!“ Dass Philipp seine Lebensfreude und Humor nicht verloren hat, zeigt er bei seinen kleinen Anekdoten und Dialogen mit dem Publikum, wobei natürlich auch wieder die kleine Schweiz thematisiert wird. Besonders die Geschichte mit dem Verkauf von neuerdings wieder Musik-Kassetten als Merchandise, in der Schweiz Souvenir-Büdli, führte zu viel Erheiterung und einigen Kommentaren bei den Festival-Gästen. Auf mich wirkte Philipp; trotz seines ironischen Kommentar Richtung der Fotografen die Nasenhaare ja auch scharf genug abzubilden; strahlend, lebensbejahend, glücklich das zu machen was ihm sein Leben lang sehr wichtig war, Blues miteinander zu teilen. Ich bedanke mich hinterher persönlich bei Philipp, er wird von Gitarren-Kollege Flo Bauer neben der Bühne etwas abgeschirmt, für dieses tolle Live-Erlebnis. Dieses Konzert des hochkarätigen Sextetts war überraschend anders und wird mir lange im Gedächtnis bleiben. Mein Rat, lasst euch wenn möglich ein einmaliges Musikerlebnis mit Philipp Fankhauser und seiner Truppe in nächster Zeit nicht entgehen.
15. Bluesnacht Petershagen 2024 – Philipp Fankhauser Band (CH)
Nach fast 40 Jahren Tourneen über alle Kontinente der Welt und fast 30 Jahren als Rudelführer der französischen Blues-Band Awek aus Toulouse, Ende 2022 war für Bernard Sellam dort Schluss, freut sich der gut gelaunte, erfahrene, singende Gitarrist nun seine neue Formation Bernard Sellam & The Boyz From The Hood bei der diesjährigen Bluesnacht Petershagen im Ortsteil Windheim vorzustellen. Wieder so eine ungewöhnliche, brillante Truppe, bestehend aus einem klassischen Trio plus Gebläse-Duo, fünf brillante Instrumentalisten. Die größtenteils temporeichen Songs, bekannte Cover-Versionen von Klassikern und auch viele Eigenkompositionen von Bernard, überzeugen das nimmermüde Publikum mit ihrem gemischten Repertoire, animieren damit zum feiern und tanzen. Bernard Sellam verfügt über eine raue Bluesstimme, die gut mit seinen einfallsreichen Gitarrenkünsten harmoniert. Aber auch die Kapelle von Könnern an seiner Seite, hier Eric „Church“ Léglise (Bass, Gesang), Julien Bigey (Schlagzeug), Franck Mottin (Tenor-Saxophon), Manu Lochin (Bariton-Saxophon), sind sehr erfahren und zusammen machen sie einen homogenen Eindruck und musizieren mit vergnüglichen Gesichtern für den Feier-Mob vor der Bühne. Die Art der Musik und auch deren Präsentation in Tradition von Jump Blues, R & B, Swing und Rock'n'Roll erinnern an die Zeit der 50er und der Plan, das Publikum in Bewegung zu bringen ist schon nach kurzer Spielzeit voll aufgegangen. Einer gemeinsamen Vintage-Sommer-Party steht nichts mehr im Wege, weil es mit gutem Blick auf die Bühne viele Rückzugsmöglichkeiten gibt und man sich auch mal in Ruhe verköstigen und ausruhen kann. Ich habe in den letzten Jahren einige dieser Formationen mit Wurzeln im Traditionellen erlebt und das waren nicht immer so alte Haudegen wie die The Boyz From The Hood, da waren auch jüngere Gruppierungen dabei. Es scheint so zu sein wie mit dem vor kurzem noch totgesagten Vinyl. Die echten Musik-Fans wollen Musik aus der Wiege der Genres Blues, Jazz, Soul und sie wollen sie auch auf Vinyl. Nordirland (Rock-Trio aus Belfast), Schweiz (Orchester aus Thun), Frankreich (Blues-Kapelle aus Toulouse), einmal geografisch durch ganz Europa und musikalisch quer durch den Blues. Jedoch wirkt das Festival-Programm, Jung und Alt, durch den cleveren Ablauf wie aus einem Guss. Als ich das Festgelände Richtung Dorfkern verlasse und später langsam durch Windheim Richtung Hauptstraße fahre, begleitet mich der fröhliche Blues der fünf sympathischen Franzosen. Hier in Petershagen habe ich wieder so einen magischen Ort gefunden, auf den ich nicht jetzt schon wieder freue ihn zu besuchen. Danke Freunde Des Gepflegten Zwölftakters für eure Gastfreundschaft und euer Engagement für die Musikkultur. [B_T: Roland Koch]
15. Bluesnacht Petershagen 2024 – Bernard Sellam & Boyz From The Hood (FR)
Info Promo – 15. Bluesnacht Petershagen 2024 – Porta Westfalica (DE)
Künstler Samstag, 22. Juni 2024: 17:00: Einlass 18:00-19:30: Dom Martin Trio (IRL) 20:00-21:30: Philipp Fankhauser Band (CH) 22:00-23:30: Bernard Sellam & The Boyz From The Hood (FR)
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