Vorbericht: Finkenbach Festival 2025 (DE)

Veröffentlicht am 2. Mai 2025 um 09:58

Festival-Klassiker im Odenwald kommt wieder ins Rollen !! – Seit Jahrzehnten steigt aus verschiedenen Gründen der Puls ab Ende Juli bei den circa 500 Bewohnern im sonst ruhigen Dorf, durch den der idyllische Finkenbach fließt, wieder stark an. Es ist wieder soweit, das Finkenbach-Freiluft-Festival ändert den Charakter und auch die Kopfzahl des Dorfes wie jedes Jahr seit fast 50 Jahren.

Wo es sonst beschaulich zugeht, entsteht auf den wenigen geologisch und bebauungstechnisch geeigneten Freiflächen ein riesiges Camp. Aus der Drohnenperspektive dann wie ein bunter Flicken-Teppich, der über die Landschaft in das schmale Tal gelegt wird. Traktoren und landwirtschaftliche Maschinen sieht man dann weniger, dafür bestimmen massenhaft Fahrzeuge mit ortsfremden KFZ-Kennzeichen den Verkehr und Horden von feiernden Menschen bevölkern das Tal. Es ist wieder angerichtet zum Kult-Kraut-Kongress.

Endlich dürfen im Tal des Finkenbachs nun auch die Namen Mani Neumeier, Guru Guru oder Guru-Fescht wieder ungestraft in den Mund genommen werden, ohne das es irgendein negativen Kommentar eines Einheimischen gibt. Das Kriegsbeil wurde erfreulicherweise schon 2023 begraben und das wird hoffentlich für immer so bleiben. Nun herrscht wieder Hippie-Frieden in der Live-Kultstätte des Krautrock im Odenwald. Als ein Fest der Finkenbacher Feuerwehr 1976 wegen kurzfristiger Absage von deren Kapelle zu scheitern drohte, sprangen spontan vier zugereiste, vorsichtig beäugte Ortsansässige, Mani Neumeier und seine skurrile Truppe Guru Guru, ein. Die für ein dörfliches Feuerwehrfest recht ungewöhnlichen Klänge kamen so gut an, dass Mani und der inzwischen verstorbene damalige Feuerwehr-Hauptmann Wilhelm Hotz für das folgende Jahr eine Fortsetzung planten, damit war der Dauerbrenner Finkenbach-Festival geboren. Und unter der verjüngten Regie von FC Finkenbachtal 1946 wird nun wieder zum inzwischen 41er angerichtet und es an die glorreiche Zeit angeknüpft. Sehr erfreulich, auch hier gibt es viele Parallelen zum thüringischen Woodstock Forever Festival. Keine Veranstaltung hat mehr Krautrocker aller Spielarten regelmäßig angelockt und dieses Jahr mit den alten Helden Peter Pankas Jane, Agitation Free, Kraan und eben Guru Guru das gleich wieder auf vier von zehn Startplätzen. Wie jedes Jahr gibt man auch jungen Formationen wie dem Aschaffenburger Quartett Kant eine Chance. Aber für Bandbreite ist mit den Schweizern Dirty Sound Magnet, Dr. Woggle And The Radio und Blues-Rock-Überflieger Rosalie Cunningham auch gesorgt. Das traditionell 2-tägige Programm Freitag und Samstag kann sich beim Finkenbach-Open-Air 2025 wieder einmal sehen und hören lassen.

Anfang August ist es wieder soweit und schon am Anreise-Freitag geht das Programm mit zwei deutschen Dinosauriern los. Die um Gitarrist Klaus Walz versammelten Musiker von Peter Panka’s Jane (siehe oben Finki 2018) leben den Geist der Krautrockzeit. Für die Generation, die es damals miterlebt haben, wie auch wir, war es nie ein Schimpfwort. UK-Radio-DJ John Peel hatte es damals etwas salopp kreiert, aber wir konnten auch schon damals als germanisches Feiervolk auf eine ruhmreiche Rock-Musik-Geschichte zurückblicken, heute sowieso. Vielleicht nicht unbedingt durchgängig mit reichlich Ruhm bei Jane, bei denen es nach Streitigkeiten um Namensrechte ab 1994 plötzlich verschiedene Jane-Truppen gab, die sogar untereinander konkurrierten. Allen gemein war die Leidenschaft, die großartigen Kompositionen vor Publikum zu präsentieren. Die Nachlassverwalter mit stabiler Mannschaft um Klaus Walz bespielen das ganze Jahr Nonstop die Clubs und Bühnen Deutschlands und veröffentlichen seit 2006 regelmäßig Alben auf dem eigenen Label Cool & Easy Records. Für Auftritte ist das Quintett äußerst gut eingespielt und wir können aus eigenem Erleben über Jahrzehnte sagen: die Besucher erwartet ein Jane-Spektakel auf höchstem Niveau.

Finkenbach Festival 2025, Agitation Free
Finkenbach Festival 2025, Agitation Free

Die zweite Band des Freitags ist Agitation Free (siehe oben Herzberg 2013) aus Berlin, die teilten sich Mitte der 60er mit Tangerine Dream und Ash Ra Tempel den Übungsraum, ein ebenso wahres Urgestein der deutschen Elektro-Rock-Musik, die Peel zum Begriff Krautrock mit inspirierte und es deshalb allemal verdient hat. Allein beim Auflisten der Musiker der Frühphase bis 1974 bekommt man Schnappatmung, ebenso bei der Band die seit 1998 wieder sporadisch mit dem Material bis heute auf Tour ist. Mitgründer Lutz Graf-Ulbrich alias Lüül (The Centries, Ash Ra Tempel, Ashra, Lüül & Band, 17 Hippies, hat gerade sein Instrumental-Solo Lüüls Lab veröffentlicht), Langzeit-Agitator Schlagzeuger Burghard Rausch (Bel Ami) und Gitarrist Axel Heilhecker (Wolf Maahn, Sunya Beat, Phonoroid, Fishmoon) sind drei Legenden der deutschen Rockmusik, dazu Daniel „Danda“ Cordes (seit 2014 Bass) und Keyboader Tim Sund (Sommer 2024 für Michael Hoenig). Wir haben Agitation Free (Günther & Lütjens, 2014 & 2017 verstorben) sowie Lüül, Hoenig, Rausch 2013 erlebt, es war wie in den 70er magisch !! Und genau diese Magie wird wieder entstehen, im Zentrum das aktuelle Album Momentum (2023), denn die fünf Agitatoren werden mit ihrer musikalischen Qualität dafür sorgen und der Geschichte von Agitation Free einen Meilenstein hinzufügen. Was würdest du bei dieser aktuellen lebendigen und kraftstrotzenden Kraut-Szene heute dazu sagen John Peel ??

Generations-, Genre-, Nationalitäts- und Geschlechterwechsel mit Rosalie Cunningham (siehe oben beim Woodstock Forever Festival 2024) die mit ihrem Profi-Quintett bei der To Shoot Another Day Tour europaweit seit fast 2 Jahren schon für viel Furore gesorgt hat. Bereits als 16-Jährige gründete Rosalie 2007 das psychedelische Frauen-Quartett Ipso Facto. Auflösung schon 2009, danach verschiedene Projekte, von 2011 bis 2018 mit Purson noch einen Gang härter, danach Premium-Solistin. Wir haben die gemischte Truppe 2024 beim Woodstock Forever erlebt. Frontfrau Rosalie ist hinsichtlich Gesang, Gitarre, Präsenz schon eine Wucht, die Spanierin Claudia González Diaz (Bass, Querflöte, Gesang) steht ihr in nichts nach. Das Männertrio an Schlagzeug, Gitarre und Keyboards fügt sich nahtlos in das Gefüge, zusammen bauen sie eine druckvolle Klangwalze auf, die sich dem Publikum entgegenstemmt. Glaubt ihr nicht?, hört euch Live At Acapela (2023) an. Zur Nacht hin wird es wie immer psychedelischer in der Arena im Tal. Die gemeinsame Klang-Reise wird diesmal von den angesagten Schweizern Dirty Sound Magnet (Promo: siehe unten rechts) angeführt. Der Versuch, die Musik dieser Band, die inzwischen auch schon seit 2008 zusammen musiziert, einzuordnen ist nicht so kompliziert: harter Vintage-Psych-Rock mit Niveau und Virtuosität. Stavros Dzodzos (Gitarre, Bouzouki, Sitar, Gesang), Marco Mottolini (Bass, Gesang) und Maxime Cosandey (Schlagzeug, Gesang, Effekte) stammen aus der Stadt Fribourg. Die eigentliche Geschichte des mehrstimmigen Trios beginnt mit Western Lies (2017), die drei Alben davor sind als Quintett und Quartett entstanden, mit dem aktuellen Werk Dreaming In Dystopia (2023) touren sie zurzeit in Dauerbetrieb, eben eine Marathon-Tour. Mindestens 750-mal alles richtiggemacht, denn sich präsentieren und den Allerwertesten abspielen, heißt sich für den nächsten Level zu bewerben. Ein Trio ähnlich jung und wild wie DeWolff, es passt zu den Finkenbach-Festspielen wie extra dafür zusammengebaut.

Gewöhnlich geht der Klang-Trip und feiern im Camp danach bis in den frühen Morgen, bringt also Kondition und Durchhaltevermögen mit nach Finkenbach. Diesmal geht es am frühen Nachmittag mit ähnlicher Musik der Aschaffenburger Band Kant (Promo: siehe unten links) direkt nahtlos weiter !! Auch wieder so ein junges aufstrebendes Quartett bestehend aus Elena Strähle (Bass), Nicolas Jordan (Gitarre), Marius K. Seidel (Gesang, Gitarre, Flöte), das erfreulicherweise sehr kreativ und arbeitswütig ist. Namensgeber und Schlagzeuger Ole Kant ist kurz nach dem Debüt When The Strangers Come To Town (2023) ausgeschieden, dafür sitzt nun Bryan Göbel in der Trommelburg. Mit Bryan gab es einen gehörigen Schub nach vorne, sie haben sofort Paranoia Pilgrimage (2024) nachgelegt und mit ihm geht es nun verstärkt auf ihre intensiven, „paranoiden“, musikalischen Pilgerreisen.

Umschalten zur Tanz-Party mit Reggae, Ska, Soul und Funk von Dr. Woggle & The Radio (Promo: siehe oben rechts) aus Weinheim, bestehend aus Nikolaus Weinheim (Gesang), Leon Walther (Bass), Lars Schwarz (Piano, Orgel, Keyboards), Toni (Schlagzeug), Kai (Posaune) Bibo (Gitarre), DonDee (Trompete), Florian Schropp (Saxofon). Sie waren bereits in der Corona-Zeit einmal zu Gast, mit dem Titel ihres fünften Albums Drop Bombs To Lose (2018) waren sie der Zeit weit voraus. Wir haben schon einige Weltmusik-Big-Bands erlebt und ich weiß genau, wenn Musik stampft und rockt und swingt, was dann so abgehen kann. Wir wünschen uns so ein sommerliches kollektives Feiern, wir sollten es machen, solange wir noch können. Zum Abend hin gibt es wie am Vortag Rockgeschichte im Doppelpack. Zuerst einmal mit Guru Guru (siehe unten vier Bilder Finki 2018), die nach mehreren Jahren Zwangspause nun wieder mit dabei sind, alle sind sicher erleichtert. Gitarrist Jan Lindqvist hat die Band 2020 verlassen, er war beim letzten Auftritt Guru-Fescht 2019 noch dabei. Dazu gekommen ist Keyboard-Urgestein Zeus B. Held (sein Solo-Debüt Zeus' Amusement von 1978 wurde gerade mit Bonus zum ersten mal auf CD bei MIG veröffentlicht), der drückte schon in der Frühzeit (1973-78) bei Birth Control virtuos die Tasten. Die treibende Energiequelle und Groove sind seit 1968 durchgängig Bühnen-Akrobat und Orchesterleiter Mani Neumeier. Rastlos, unermüdlich und weiterhin taufrisch tourt Mani und seine Mannschaft seit 1968 durch die Clubs Germaniens. Wer es nicht glauben will, hört sich The 1971 Bremen Concert (MIG, 2025) an. Guru Guru hat sicher fast alle Festivals und Krautfeste in unserer Heimat mehrmals bespielt, nun auch endlich wieder das Finki. Siehe Mani's Gefährten.

Das Fusion-Trio Kraan (siehe unten Herzberg 2014) die mehrfachen Wiederholungstäter zuletzt 2023 und 2024 beim Finki, hat eine ähnlich bewegte Geschichte wie die Neumeier-Truppe und über Jahrzehnte sogar viele Verbindungen zu ihnen. Aber erst Inzest, ab 1970 dann Kraan, spielen mit dem harten Trio-Kern mit kleinen Unterbrechungen nonstop. Bei inzwischen 30 veröffentlichten Alben, besteht das bunte Programm nun aus Titeln aus allen Karriere-Phasen. Die lokale Presse schrieb „Die Samstag-Headliner-Position besetzt wieder Kraan.“ Nein, der starke Programm-Kern des zweiten Tages fängt bei Guru Guru an und hört bei Colour Haze auf, drei auf einen Streich !! Colour Haze aus München (ohne Bilder) sind die Jam-Klang-Tüftler für die späten Stunden.

Auch bei denen ist Superlative angesagt, denn eine der ältesten deutschen Psych-Rock-Formationen besteht auch schon seit Mitte 1994 und wird seitdem vom singenden Gitarrist Stefan Koglek durch die farbigen Dunstwolken der Spielstätten geführt. Kumpel Manfred Merwald (Schlagzeug) sowie Keyboader Jan Faszbender (ab 2019) und Basser Mario Oberpucher (ab 2020) sind mit dabei. Sie haben inzwischen auch eine Einkaufstasche voll mit Alben veröffentlicht, aber ihre wahre Stärke zeigen sie meisterhaft beim kreieren ihrer Klanglandschaften auf Bühnen. Die Spannbreite geht von entspannt, schwebend, sanftmütig, leisen Melodien über intensiven, brodelnden, brummenden bis zornigen, lauten, wuchtigen Klängen. Wechselnde Rhythmen und packende Grooves, die den Zuhörer sogleich mitnehmen auf die Hypno-Reisen, damit die Grundlage schaffen für gemeinsames feiern.

Finkenbach Festival 2025, Kraan
Finkenbach Festival 2025, Kraan

Und weiter geht es mit bluesigen Alternativ-Rock aus deutschen Landen, die Detroit Blackbirds von Alex Auer (ohne Bilder) bestreiten wie 2019 und auch letztes Jahr (wir berichteten darüber) den Abschluss dieses Festivals. Alex ist seit Anfang der 90er Gitarrist und Sänger in verschiedenen Projekten, seit Ende 2001 auch der Gitarrist bei Xavier Naidoo und mit Much Better hat der Routinier das ekstatische Debüt des erfahrenen Quartetts Detroit Blackbirds im Gepäck. Und die Truppe ist wieder der Rausschmeißer beim diesjährigen Finki 2025, so haben nun die Hippies beim Woodstock Forever die Hamburg Blues Band mit Gästen und das Finki-Feschd die Detroit Blackbirds als Hausband. Auch hier sieht man die Handschrift der jüngeren Generation. Das ist gut so und stimmt uns hoffnungsvoll auf die Zukunft dieser traditionsreichen Veranstaltung im Herzen vom Odenwald, und für die Musikfans, die sich dort jedes Jahr versammeln. Auch 2025 wird es erneut international, vielfältig, druckvoll aber auch kunterbunt, magisch, familiär im idyllischen Tal des Finkenbachs. Und es wird sicher auch wieder gemütlich und unvergesslich. Für alle, die eine sehr weite Anreise scheuen und sich deshalb diesen Leckerbissen entgehen lassen wollen oder müssen, wir werden von dort berichten, das ist absolut sicher. Schon jetzt; alle Finkenbacher, die wie jedes Jahr für die außergewöhnliche kulinarische Voll-Versorgung sorgt, und auch wir, freuen uns, euch mit normalen Puls in Finkenbach zu treffen !!

Finkenbach Festival: Guru Guru kehren zurück – Thomas Wilken

Finkenbach Festival 2025, Bericht

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.