Ein tiefer Blick in menschliche Abgründe der Musik-Industrie – Frühe Tage – Die britische Band The Iveys (vorher Black Velvets und Wild Ones), gegründet 1961 und benannt nach dem Platz Ivey Place in der Nähe des Bahnhofs High Street in Swansea, Südwales.
Dort in der Nähe hatte die Band damals ihren Probenraum und stand zuletzt beim Namenswechsel zu Badfinger bei Apple Records der The Beatles unter Vertrag. Und dort, in seiner Geburts- und Heimatstadt Swansea, wird das künstlerische Werk von Pete Ham, seit dem 27. April 2013 (seinem 66. Geburtstag), berechtigt mit einer offiziellen blauen Plakette in der Nähe dieses frühen Proberaums geehrt. Der Band-Name The Iveys wurde erstmals im Sommer 1964 erwähnt. Die drei kreativen Köpfe der Band waren Peter William Ham von den The Panthers (Gesang, führende Gitarre, Klavier, 27. April 1947 bis 24. April 1975), Thomas Evans Jr. von Them Calderstones (Gesang, Rhythmus-Gitarre, 05. Juni 1947 bis 19. November 1983), Ronald Llewellyn Griffiths (Gesang, Bass, 02. Oktober 1946). David „Dai“ Jenkins (Rhythmus-Gitarre), musste The Iveys schon im August 1967 mit Nachdruck von Band & Manager Collins verlassen, Terry Gleason (Schlagzeug), wurde im März 1965 durch Michael George Gibbins von The Club 4 (Schlagzeug, Perkussion, 12. März 1949 bis 04. Oktober 2005) ersetzt. Bereits im Juni 1966 begann Bill Collins (der Vater des Schauspielers Lewis Collins), sich in vielfältiger Weise um diese Gruppe junger Musiker zu kümmern, ein 5-Jahres-Vertrag kam Dezember 1966 zustande. Die The Iveys (später Badfinger) waren auch die Begleit-Band von Pop-Sänger David Garrick (Chart-Hit: Dear Mrs. Applebee), mit ihm nahmen sie als David Garrick And The Dandy das Album Blow Up Live (1968) auf. Dafür benutzten sie aus rechtlichen Gründen den Namen The Dandy. Durch ihren bisherigen Werdegang wurde Ray Davies von den Kinks auf sie aufmerksam, er machte sogar Demos mit ihnen. Und auch einige wichtige Leute von Apple Records sowie den Rolling Stones hatten mehr als ein Auge auf sie geworfen.
Apple Records – Bill Collins schlug das Quintett dem damaligen Beatles-Tour-Manager Mal Evans und Paul McCartney vor. Die sechs Iveys-Demoaufnahmen (Band-Dubs) gingen dann an alle Fab-Four, die alle zustimmten, die Jungs bei Apple unter Vertrag zu nehmen. Die Demos wurden auch an Rolling Stones Manager Andrew Oldham geschickt. Somit hatten sie mit den großen Namen der damaligen Szene zu tun, The Beatles, The Rolling Stones, The Kinks. Nach sichten der Demos unterschrieben The Iveys einen Vertrag bei Apple Records, nahmen sofort und vor dem Namenswechsel das einzige Album Maybe Tomorrow (Single: November 1968, Album: August 1969) auf. Alle Lieder produzierte der berühmte US-Produzent Tony Visconti. Bald darauf stieg Ron Griffiths wegen familiärer Gründe aus und für ihn kam Joseph Charles Molland (Gitarre, 21. Juni 1947 bis 01. März 2025). Rechtlich vor allen Aasgeiern sicher (weil Material der The Iveys mit Ron Griffiths) erschienen 2017 und 2019 in der CD-Serie The Iveys Anthology vom Label RL Griffiths Presents, zwei Mitschnitte aus der Zeit vor diesem ersten Album Maybe Tomorrow. Volume 1: Live At The Empire (Neath South Wales, 07. June 1966) und Volume 2: Live At Thingamajig Club (Reading UK, 06. September 1968). Weiterhin erschien 2022 Golden Delicious Demos: 1966-69 mit einer sehr frühen Version von Without You (Early Demos Evolution Edit). Mike Gibbins verstarb 04. Oktober 2005 in Florida im Schlaf an einem Gehirn-Aneurysma, auch mit nur 56 Lenzen recht jung und völlig verarmt. Somit ist der verstoßene Ronald Llewellyn Griffiths mit seinen Unterstützern (dazu später mehr) nun das wahre letzte lebende Band-Mitglied (Stand: 27. Juli 2025) und sozusagen der Vermächtnis-Verwalter von The Iveys. Hoffentlich noch sehr lange !! Bis hierhin, eine nicht untypische britische Bandgeschichte wie sie dutzendfach in dieser Zeit üblich waren. Das Besondere aber, die The Iveys standen an der Schwelle zu Superstars. Aber was danach kam, ist wieder so eine tragische Geschichte die mich sehr traurig macht, nach dem Motto: „Manchmal hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu.“ Deshalb wird sie sehr früh und direkt nach Moby Grape ausführlich im Music-Info-Net vorgestellt.
Ohne alle weiteren unschönen Details auszuwalzen, war es bereits bis hier eine aufregende „Bad Story“ !! Wenn eine Geschichte die tiefen menschlichen Abgründe in der Musik-Maschinerie exemplarisch und überaus deutlich zeigt, ist es die von The Iveys. Später noch deutlicher, dann aber bis heute bekannt als Badfinger (Bösewicht). Dieser Name passt so garnicht zu dieser rührigen und bescheidenen Band, aber das wussten die fünf britischen Musiker damals bei Umbenennung noch nicht. Mit Wechsel vom Bassisten, Ron Griffiths, er übergibt an Joey Molland, und weil es eine weitere Band mit ähnlichen Namen gab (Ivy League), wird nun Dezember 1969 zum neuen Bandname Badfinger gewechselt. Klarer Schnitt und das ist aus heutiger Sicht auch gut so. Ich gehe im zweiten Teil dieser Geschichte nicht mehr so intensiv auf Band-Besetzungen, Alben oder weitere Protagonisten ein. Die tragische Geschichte soll hier im Vordergrund stehen.
Apple & Warner 1 – Eine durch und durch fesselnde Biografie über eine unglaubliche Band, die so beeindruckend war, dass sie mit den The Beatles verglichen wurde und tatsächlich sehr eng mit ihnen zusammenarbeiteten. Ironischerweise wurden sie von Mal Evans, dem Roadie der Fab Four, entdeckt und dann von Paul McCartney betreut. In der Folge wurden sie für viele Solo-Aufnahmen aller vier Beatles-Mitglieder engagiert, waren auch beim Konzert für Bangladesch dabei. Letztendlich wurden sie bei fast allen ihren frühen Veröffentlichungen vom gesamten Imperium der Apple Corps Limted streng kontrolliert und reglementiert. Die Apple-Phase mit Maybe Tomorrow (1969, The Iveys), Magic Christian Music (1970, mit Material von Maybe Tomorrow), No Dice (1970), Straight Up (1971), Ass (1973, siehe unten) war musikalisch die erfolgreichste von Badfinger. Die Gruppe begann sogar, mit ihren großen Welthits wie Come And Get It (Komponist: Paul McCartney), No Matter What, Day After Day, Baby Blue und der Cover-Version Without You von Harry Nilsson (von den Gruppen-Mitgliedern Pete Ham und Tom Evans gemeinsam geschrieben), die Soloerfolge der Fab Four kommerziell zu übertreffen. Der Song Without You brachte Ham und Evans 1972 sogar den Ivor Novello Award für den Song des Jahres ein.
Apple-Session-Arbeit – Verschiedene Mitglieder von Badfinger nahmen auch an Sessions für ihre Label-Kollegen von Apple Records teil, vor allem spielten sie Akustikgitarre, Schlagzeug, Perkussion auf einem Großteil von Harrisons Dreifach-Album All Things Must Pass (1970), darunter die Hitsingles Isn't It A Pity, My Sweet Lord und What Is Life. Pete Ham und Tom Evans lieferten auch Hintergrundgesang auf Ringo Starrs von Harrison produzierter Single It Don't Come Easy. Tom Evans und Joey Molland tauchten dann auf Lennons Album Imagine (1971) beim Titel I Don't Want To Be A Soldier als Tommy Badfinger und Joey Badfinger auf, obwohl Molland sagte, dass ihre Stücke nicht verwendet wurden. Am 26. Juli 1971 trafen alle vier Mitglieder von Badfinger auf dem New Yorker John F. Kennedy International Airport ein, um für Harrisons Concert For Bangladesh zu proben, das am 1. August 1971 stattfand. Ham duettierte während des Konzerts mit Harrison auf der akustischen Gitarre bei Here Comes The Sun. George Harrison war in der Folge zusammen mit Todd Rundgren auch als Produzent vom dritten Badfinger-Album Straight Up (1971) beteiligt.
Apple & Warner 2 – Leider erhielten sie nur von den Fab Four größere Unterstützung, sie arbeiteten hart und viel und bekamen im Verhältnis dafür nur wenig Gegenleistung. Die administrative Musik-Maschinerie hing wir dutzende von Blutsaugern schon damals an ihnen, der Meister des Desasters war Dracula Stan Polley. Das Interesse der The Beatles und ihres Imperiums, die Vier hatten zu der Zeit genug eigene Probleme, nahm an ihnen immer mehr ab. Als die Band durch Stan Polley gesteuert Ende 1972 zum Label Warner Brothers Records wechselte, war die Fäulnis innerhalb der Gruppe und massive rechtliche Probleme auch weiter vorangeschritten.
Warner & Polley – Im April 1970 lernte Bill Collins den ausgebufften New Yorker Geschäftsmann Stan Polley kennen, der Badfinger im November 1970 unter einen juristisch fast nicht anfechtbaren Management-Vertrag stellte, unter dem Badfinger bis zum Tod der einzelnen Mitglieder und darüber hinaus bis heute leiden. Polley gründete Badfinger Enterprises Inc, mit Stan Poses als Vizepräsident. Er band alle Bandmitglieder an verschiedene Verträge, die vorschrieben, dass die Einnahmen aus Tourneen, Aufnahmen, Veröffentlichungen und sogar Songwriter-Tantiemen in von Polley kontrollierte Holdinggesellschaften fließen sollten. Dies führte zu einer Gehaltsregelung für die Band, über die sich verschiedene Mitglieder später beschwerten, dass sie im Vergleich zu ihren Brutto-Einnahmen unzureichend waren. In der Zwischenzeit handelte Polley einen Vertrag mit Warner Bros. Records aus, der vorsah, dass die Band über einen Zeitraum von drei Jahren alle sechs Monate ein neues Album veröffentlichen sollte. Poses warnte die Band mehrmals, diesen Vertrag nicht zu unterschreiben. Zu diesem Zeitpunkt war die Band, besonders Tom Evans, bereits sehr misstrauisch gegenüber Polleys Aufsicht geworden, aber die Band unterschrieb aus ihrer bis dahin mannigfaltigen Notlagen heraus trotzdem diesen Vertrag. Das letzte veröffentlichte Apple-Album von 1973 zeigte auf dem Cover von Ass eine Idee von Evans: einen (dummen) Esel, der auf eine riesige, baumelnde Karotte starrt. Besser konnte man die Situation von Badfinger in dieser Zeit nicht darstellen und daran änderte sich bis heute auch nichts !! Der hart arbeitende, dumme, betrogene Esel schaut auf ein Almosen, das er aber nie erreichen kann und bis heute nicht konnte. Auch die Veröffentlichung von Ass führte zu massiven juristischen Auseinandersetzungen, weiteren Verzögerungen und Misserfolgen.
Die Album-Trilogie Badfinger (1974), Wish You Were Here (1974), Head First (1974) war aber weiterhin hochkarätig. Aber die Schwierigkeiten und Probleme blieben, somit blieb der berechtigte Erfolg aus. Das selbstbetitelte Album Badfinger erschien parallel zu Ass, wurde kurz nach Erscheinen vom Markt genommen, Wish You Were Here zündete auch nicht richtig, Head First blieb noch bis 2000 unveröffentlicht. Grund waren die oben beschriebenen betrügerischen Geschäftspraktiken ihrer verschiedenen Management-Teams, die zersplitternde Gruppen-Politik und haarsträubende Betrügereien ihrer Manager, die sie zuerst lähmten und später völlig zermürbten. Wie gesagt, die Band arbeitete sehr hart, kreativ und künstlerisch erfolgreich, intern war die Stimmung trotz dauerhafter massiver Geldsorgen kameradschaftlich, aber die Auflösung war auch ständiger Begleiter.
Robert „Bob“ Jackson – Bob (06. Januar 1949 in Coventry) kam 1974 zu Badfinger (Vorher: The Fortunes, Indian Summer, Ross. Später: The Dodgers). Pete Ham, der eigentliche Bandgründer, hatte die Band verlassen und Bob wurde als Ersatz für Pete einbezogen. Pete kehrte aber aus rechtlichen Gründen unmittelbar zurück und Badfinger wurde für kurze Zeit zu einem Quintett. Die 5-köpfige Besetzung promotete das Wish You Were Here Album auf einer UK-Tour zusammen mit der walisischen Band Man. Am Ende dieser Tour verließ Gitarrist Joey Molland dann Badfinger und so wurden sie wieder zu einer 4-köpfigen Band. Head First sollte das letzte Album mit Pete Ham sein. Bob Jackson 2024 zu Head First: „Endlich waren wir in der Lage, die Original-Multitracks zu beschaffen und dem Album seinen ersten offiziellen Mix und Master zu geben, 50 Jahre nachdem Pete Ham, Tom Evans, Bob Jackson und Mike Gibbins das Album im Dezember 1974 in den Apple Studios der Beatles aufgenommen hatten.“ Dann Zwangspause bis 1978. Molland und Evans holten sich zum Neustart die Schwergewichte Peter Clarke alias Budgie (Schlagzeug: The Slits, Siouxsie & The Banshees, The Creatures) und Tony Kaye (Keyboards: Yes, Badger Detective, Cinema, Circa, YOSO, Projekte) an Bord und veröffentlichen die unauffälligen Alben Airwaves (1979) und Say No More (1981). Auch Evans hatte resigniert und erhängt sich 1983.
Die Medien verglichen ständig Badfinger und The Beatles, das nahm über die Zeit immer weiter zu und nervte die Band in der Folge immer mehr. Das sollte während der gesamten Karriere von Badfinger anhalten, genauso wie die desaströsen Verhältnisse mit Managern und Labeln. Gitarrist Peter William Ham nahm sich am 24. April 1975, im Alter von nur 27 Jahren, drei Tage vor seinem Geburtstag, aufgrund von massiven Depressionen das Leben durch Erhängen in seinem Garagen-Studio in Woking, Surrey. Seine Frau fand ihn nach einer durchzechten Nacht mit Tom Evans. In einem Brief stand: „Anne, ich liebe dich. Blair, ich liebe dich. Es wird mir nicht erlaubt sein, jeden zu lieben und zu vertrauen. Dies ist besser. Pete. P.S. Stan Polley ist ein seelenloser Bastard. Ich werde ihn mitnehmen.“ Sein musikalischer Klon, Gitarrist Thomas Evans Jr., folgte dem Beispiel von Pete und erhängte sich am 19. November 1983 ebenso, auch erst 36-jährig, am Baum im Garten seines verschuldeten Hauses in New Haw, Surrey verarmt und unbeachtet. Eine Molland-Gibbins-Version von Badfinger ging 1986 auf Tournee und tourte in den nächsten Jahren immer wieder, bevor Mike Gibbins sich entschloss, von Detroit nach Florida zu ziehen, um sich mehr auf die Erziehung seiner Kinder zu konzentrieren (einer seiner Söhne ist Gitarrist Owen Gibbins). In den späten 90er nahm er die Tournee wieder auf und gründete seine eigene Band Madfinger, zu der auch der ehemalige Iveys-Bassist Ron Griffiths gehörte. Mike starb verarmt Oktober 2005 im Schlaf an einem Gehirn-Aneurysma. Alle Lebenskrisen resultierten aus dem Missmanagement der Band und Problemen mit Label und Band-Managern, mit Stan Polley begann dann bereits 1970, am Anfang der Karriere, der Untergang.
Warum schreibe ich euch die Geschichten von Moby Grape und Badfinger in dieser Ausführlichkeit. Ganz einfach, die Menschen haben sich leider nicht geändert, es gibt in der Musik-Maschinerie immer noch einige skrupellose Gesellen, die sich auf Kosten vieler hart arbeitender Künstler bereichern, sie betrügen, belügen, ausnutzen. Es sind nur wenige und all denen muss man versuchen, das Handwerk zu legen. Erfreulicherweise sind die ehrlichen und leidenschaftlichen Veranstalter, Label- und Magazin-Betreiber sowie Technik-Lieferanten in der Mehrzahl. Nach dem Tod von Joey Molland am 1. März 2025 im Alter von 77 Jahren, er tourte sogar noch bis 2024 mit seiner Truppe, ist nun von den prägenden Protagonisten nur noch Bob Jackson am Leben und musiziert als Badfinger. Ron Griffiths kümmert sich weiter um den Nachlass von The Iveys.
Wer noch tiefer in dieses Thema einsteigen möchte, hier einige Hilfen und Empfehlungen. 1. Ingeborg Schober hat in ihrem lesenswerten Buch Pop-Tragödien: Die spektakulärsten Fälle von den Beach Boys bis Nirvana (Überreuter) auch den tragischen Teil der Band-Geschichte sehr ausführlich und transparent beschrieben. 2. Der Text von Ingeborg basiert auch auf der 500-seitigen Biografie Without You: The Tragic Story Of Badfinger (English Edition, Kindle, Erstveröffentlichung 1997) von Dan Matovinas, die bis heute berechtigt als Badfinger-Bibel gilt. 3. Weitere sehr gute Texte zu dem Thema finden sich im englischsprachigen Wikipedia. 4. Badfinger Historiker Kevin McElligott (Mastered, Restoration) und Tom Brennan (Discogs: Tom Brennan 5) arbeiten seit über einem Jahr an der Zusammenstellung und Wiederherstellung der historischen Aufnahmen aus der Zeit vor Apple Records. Bilder: Cover_Promo, Text: Roland Koch
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