Festival: 31. Internationale Blues Festival 2024 – Schöppingen (DE)

Veröffentlicht am 21. Mai 2025 um 19:13

Münsterländer Kleinod, jährliches internationales Blues-Mekka – Letztes Jahr blieb mir bei hunderten Nachrichten über Wetterkatastrophen in der ganzen Welt eine Aussage eines völlig verdreckten, panischen, griechischen Olivenbauer bis heute in Erinnerung. Der schaute auf die endlosen Weiten von verwüsteten Hügel und rauchenden Baum-Ruinen und stammelte: „Die Apokalypse“.

Ja vielleicht der Anfang, denn kurz vor dem 31. Internationalen Blues Festival Schöppingen gehen ganze Landstriche auf diesem Planeten in Sintfluten unter. Auch in Pfalz, Saarland, Bayern. Das hat mich aber nicht davon abgehalten für zwei bluesige Tage in das Länder-Dreieck Niederlande, Niedersachsen, NRW anzureisen, insgesamt 14 Formationen in meinen Fokus zu bringen und mit mehreren Dutzend Menschen dort intensiv zu sprechen. Und damit sind wir direkt beim Kernthema. Das sind abseits der Musik natürlich die vielen unermüdlichen Helfer, die das Blues-Festival in Schöppingen, aber nicht nur hier, im westlichen Münsterland seit über 30 Jahren, es fing tatsächlich bescheiden als lokales Gartenfest an, organisieren und bis heute am Leben erhalten. Ich bin tief eingetaucht in dieses Kollektiv und kann bestätigen, das der Veranstalter mit dem passenden guten Namen Kulturring Schöppingen den Nagel passgenau auf den Kopf getroffen hat. Aber wie fast überall, auch hier fehlt genug ehrenamtlicher Nachwuchs. Dennoch habe ich überall; bei den Sanitätern, Ticketbüdchen, Einlass, Ausschank, Ständen; auch den jüngeren Nachwuchs in Aktion erlebt und gesprochen. Selbst die Kinder sind 2 Tage emsig beim Sammeln der leeren Mehrweg-Becher zu beobachten und machen mir Mut, das Schöppingen genau auf dem richtigen Weg ist.

Das Blues Festival Schöppingen hat in jeder Hinsicht meinen Test bestanden. Kurz gesagt, wer mal geballt internationale Blues-Künstler in angenehmer, familiärer Atmosphäre erleben möchte, dem kann ich dieses Fest nur ans Herz legen. Die Preise und Leistungen sind vom Ticket bis Verzehr günstig, gut und vorbildlich. Auch die Stellflächen für die Fahrzeuge und Camper sind ausgezeichnet. Ein friedliches Sommerfest mit Musik steht dadurch nichts im Wege. Glücklicherweise sind den Besuchern, trotz der diesmal sehr angespannten Wetterlage, massive Unwetter erspart geblieben. Tatsächlich gibt es sporadisch nur ein paar Regentropfen über die gesamten zwei Tage, ansonsten prächtiges Wetter. Den einzigen starken Schauer gibt es ausgerechnet in der Pause vor den Blues-Stars der Robert Cray Band. Deshalb musste das Quartett aus Gründen der Sicherheit leider tief hinten in der Bühne operieren. Da aber der Blick fast von jeder Stelle des Geländes uneingeschränkt und fantastisch ist, wird dadurch der Party-Stimmung keinen Abbruch geleistet. Sehr schön ist auch das familiäre Pausen-Programm auf der kleinen Bühne im Grünen, das am Samstag vom Süd-Italiener und Dauer-Tourer Denis Cassiere und am Sonntag von der US-Ein-Mann-Band Pastor Scott H. Biram bestritten wird. Scott hat inzwischen ein Dutzend Alben veröffentlicht und der Albumtitel The Dirty Old One Man Band (2004) macht deutlich was sein Programm ist. Auch hier, mit Blick auf das circa 250 Meter entfernte WoMo-Gelände, versammeln sich die nimmersatten Blues-Fans um die kleine Bluegrass-Bühne im Party-Zelt und bekommen den Blues hautnah und bärenstark sogar in den Umbaupausen serviert. Damit weht ein Hauch von authentischem Blues und Soul über der Veranstaltung.

31. Internationale Blues Festival 2024, Schöppingen - Samstag, 18. Mai

Das gut besuchte Festival wird von Amy Helm mit ihrem eingespielten Quartett bei optimalen Wetter und guter Stimmung pünktlich eröffnet. Amy Louise aus Woodstock (New York), sie betreibt dort auch die Levon Helm Studios, wurde durch ihre sehr prominenten Eltern Musik mit in die Wiege gelegt und die Beschreibung ihrer langen Karriere wäre sicher mal ein lesenswertes Thema für einen anderen Beitrag. Kurz, von 1999 bis 2005 musiziert sie in verschiedenen Bands ihres berühmten Vaters (Levon starb 2012), dann ist sie 10 Jahre Mitglied bei Ollabelle und danach als Solo-Künstlerin bis heute erfolgreich aktiv. Sie ist in Nordamerika ein Star und spielt Material aus allen ihren vier bisherigen Studiowerken und die rockige Bandbreite geht von Americana über Country, Folk bis Pop. Der Faden der alles zusammenhält ist aber Blues. Amy, im Übrigen auch Stieftochter von Donald Fagen (Steely Dan), ist mit ihrer mal kräftigen oder sanften Stimme sowie an Mandoline immer Chefin auf den Brettern. Gitarren-Wegbegleiter Daniel Littleton setzt genau an den richtigen Stellen stützende Akzente, aber insgesamt merkt man, dass hier ein eingespieltes, vierköpfiges Team am Werk ist. Die Zeit vergeht bei den gut gemischten Liedern wie im Flug und das fachkundige Publikum lässt sich immer wieder zu Szenen-Applaus hinreißen. Schon mein letztes Jahr stand im Zeichen der Frauen, es ging 2024 kontinuierlich weiter und gleich beim ersten Blues-Festival, eröffnet eine starke US-Künstlerin meine Blues-Saison. Zufall, vielleicht. Nach der 54-jährigen hellhäutigen, fragil wirkenden Amy steht nach ultrakurzer Umbaupause als Kontrast ein junger gut genährter dunkelhäutiger Mann im Mittelpunkt des Geschehens. Auch der Stil und die Taktfrequenz wechseln, etwas genauer gesagt, das Tempo zieht an. Schon die Namensgebung mit D.K. Harrell erinnert etwas an andere Blueser wie JJ oder BB, wobei letzterer wohl dem Aussehen und Musikstil von Autodidakt DK näher ist. Er hat tatsächlich die Musik vom Blues Boy King praktisch mit der Muttermilch aufgesaugt, sie zieht sich bis heute durch sein noch recht kurzes 26-jähriges Leben. Als ich BB zuletzt in Prag sah, hatte der legendäre Musiker die Bühne voller Personal, meist aus seiner eigenen großen Familie. Auch hier strebt DK seinem Vorbild nach, zumindest was das Gebläse betrifft, das zwar nur zweiköpfig immer für ordentlich Alarm sorgte und auch zusätzliche Akzente setzte. Auch auf dem Cover seines 11-teiligen Debüts The Right Man, gerade erst Mitte 2023 erschienen, sieht er chic im Anzug und mit einer historischen Lucille Gibson-Gitarre aus wie der junge BB. Damit nicht genug, gibt es auch bei den Mitspielern im Studio etliche Bezüge zu der Blues-Legende. Das DK-Programm, das die sechs US-Musiker dann auf der modernen Bühne präsentieren, ist überhaupt nicht angestaubt, sondern frisch, modern und zeitgemäß präsentiert, BB hätte sicher seine Freude daran gehabt. Vor allem weil D.K. Harrell ständig in Bewegung war, dem Publikum auch mal sein wackelndes Hinterteil zeigte, also all das was BB zuletzt im Stuhl sitzend und seine Lucille spielend nicht mehr so gut konnte. Was für ein Spektakel schon so früh im sonnigen Münsterland, man könnte meinen irgendwo bei einem US-Festival nähe Mississippi-Delta zu sein. Bitte merkt euch diesen Namen, denn der sympathische D.K. Harrell wird im Blues sicher noch einiges an Überschriften liefern; Talent, Tatkraft und hoffentlich Zeit hat er dafür massenhaft. (Bilder unten L/R: Amy Helm, xx, D.K. Harrell)

Und nach kurzem Verschnaufen und Versorgung mit dem Notwendigsten, betritt der dritte US-Star, immerhin entfernt verwandt mit der Chicagoer Blues-Ikone Otis Rush, die junge und sportliche Frontfrau, Multi-Instrumentalistin, Sängerin, Komponistin, Produzentin und Schauspielerin Melody Angel aus der Southside von Chicago die Bühne. Sie entdeckte, wie Kollege DK aus Ruston in Louisiana, früh als Kind ihre Liebe zur Musik, die aber eher zu Jackson, Prince, Santana, Hendrix. Nun kommt schon die dritte Blues-Schattierung ins Spiel, kraftvoller Blues-Rock ohne Kompromisse im klassischen Trio. Wie am nächsten Tag Judith Hill, bringt Melody auch einen Teil der Familie mit ins Münsterland, hier die geliebte Mutter & Managerin Stephanie, selbst ausgebildete Sängerin und mit reichlich Friedenssymbolen am bunten Outfit, unterstützend an Gesang und Perkussion. Schon nach entern der Bühne und warmspielen von Melody mit ihrer berühmten Lieblingsgitarre, einer lila Fender Stratocaster mit vielen Aufklebern, sagt alles, gleich brennt hier die Luft. Und genauso war es, achtzig Minuten Bass und Schlagzeug gestützte Gitarrensalven Richtung schnappatmenden aber begeisterten Zuschauern. Die Melody Angel Band ist inzwischen ein gern gesehener Gast auf Festivals weltweit, sind aber auch fleißige Studioarbeiter. Nachdem der Gang 3-mal hochgeschaltet wurde, zogen sich einige Ältere im Publikum sicherheitshalber doch etwas in den Hintergrund zurück. Denn die erste Formation aus Europa plante nun mit modernen, energetischen Blues-Rock weitere Fans für ihre Musik zu begeistern. Trotz Rockpalast-Auftritt sind die The Cinelli Brothers immer noch ein Geheim-Tipp hier im deutschsprachigen Raum, dennoch eilt ihnen jetzt nun doch ihr Ruf voraus. Die Leidenschaft für elektrischen Blues aus Chicago und Texas sowie für den Soul der 60er und 70er führten die italienischen Brüder Marco und Alessandro Cinelli zur Gründung dieser europäischen Band. Aus den Jam-Sessions in Londoner Clubs sind inzwischen unglaubliche sieben beachtete Alben und massenhaft Touren, Auszeichnungen, gute Chart-Positionen geworden. Die frühe Geschichte dieser Formation erzählten mir Unterstützer, die ich zufällig traf, alles sehr interessant, würde aber den Bericht sprengen. Was diese Viererbande in einem Wechselspiel an Instrumenten und Schauspiel sowie gekoppelt an einen brillanten, spielfreudigen Vortrag hier abliefert, ist wahrlich beeindruckend. Eine junge aufstrebende Band, mit dem Briten Tom Julian Jones und dem Franzosen Stephen Giry bestehend aus vier Multi-Instrumentalisten, die ihren Weg gehen werden, ja, wenn sie denn weiter zusammenbleiben und so herzerfrischend ihren modernen Blues-Rock zelebrieren. (Bilder unten L/R: Melody & Stephanie Angel, Alessandro Cinelli)

Zum Abend hin wird doch erst einmal der Gang runtergeschaltet. Mit dem diesjährigen Auftritt wird Henrik Freischlader aus Wuppertal alleiniger Rekordhalter, was die Anzahl der Auftritte in Schöppingen betrifft. Er tritt zusammen mit Hardy Fischötter (Schlagzeug) und Armin Alic (Bass), diesmal aber ohne Tastenmann auf, also im klassischen Trio. Seine fast gesangsfreie, wie immer grundsolide Vorstellung, erdet wieder das Publikum nach einem vierteiligen Feuerwerk davor. Purer klassischer Blues, handwerklich exzellent umgesetzt, endlich kann man auch mal Durchschnaufen und über das Gelände streifen, sich mit der gut gemischten Musik in die junge Nacht treiben lassen. Einige Kritiker meinten, Henrik schon explosiver erlebt zu haben. Ich bestätige das nicht, denn bei so einem Feuerwerk an Blues-Granaten, zu Dritt den Pegel auf diesem Top-Niveau zu halten ist schon nicht ganz so einfach. So ist man vom deutschen Trio gut eingestimmt und richtig vorbereitet auf den krachenden Abschluss des ersten Tages. Denn beim Multi-Instrumentalist und Sänger Brooks Mason Kelly alias Eddie 9V wird aber das Tempo wieder angehoben. Noch so ein junger Mann, der vom Blues beseelt wurde und mit nur 15 Jahren 2011 College und Jobs hinter sich ließ und sich kopfüber in die Clubszene Roots und Blues seiner Heimatstadt Atlanta (Georgia) stürzte. Immer hautnah an seiner Seite der Bruder Lane Kelly am Bass und als Produzent. Inzwischen hat Eddie, den Namen kreierte er während seiner Zeit bei den Alternativ-Rockern Preachervan, drei beachtete Alben veröffentlicht, zwei davon bei Ruf Records und mächtig Spuren in der heimatlichen Blues-Szene hinterlassen. Jetzt war seiner Ansicht nach für seine Neun-Volt-Band die Zeit für Europa gekommen. Und diese junge Truppe hat die Chance genutzt. Kaum einer verließ das Gelände, kollektives Feiern mit erstklassigen, modernen Blues bis tief in die Nacht. Sie spielen sensationell und routiniert auf, im Mittelteil des Auftritts auch einige eigeninterpretiere Cover, darunter auch eine bärenstarke Version von Can't Find My Way Home der britischen Star-Band Blind Faith. Auch mein Akku war schon fast leer, aber nicht nur ich wollte alles bis zum letzten Ton hören und sehen wie Eddie und seine Truppe schweißgebadet aber glücklich hinter der Bühne verschwindet. Das Publikum klebte förmlich vor der Bühne fest und feierte zusammen mit den jungen wilden US-Musikern in eine rauschende Sommernacht. Mir machen solche Bands wie die schwedischen Skybenders (Blue Wave Binz), das nordirische Dom Martin Trio (Bluesnacht Petershagen), aber auch die lebensfrohen Cinellis, US-Boy Eddie 9V und seine Bande und eben viele weitere junge Künstler, die hier in Schöppingen aufgespielt haben, Mut für die Zukunft des Blues. Und das darf ich jetzt schon vermelden, traf auch auf Blue Wave und Blues Camp 2024 zu, bei denen ich das Programm genau verfolgt habe. Bei allen vorher genannten Neo-Bluesern steht die Authentizität und das Besinnen auf die historischen Wurzeln ganz weit vorne. Dazu geben sie ihre einige Mischung aus modernen Rock-Ingredienzien und fertig ist Blues der auch wieder das jüngere Volk begeistert, aber auch mich. Im Juni war ich noch bei weiteren vier Blues-Festivals und werde weiter beobachten und berichten.

31. Internationale Blues Festival 2024, Schöppingen - Sonntag, 19. Mai

Man tuschelte schon sonntagvormittags vor Start in die zweite Runde von einem Ausfall eines britischen Musikers wegen Erkrankung und das eine Bass-Legende aus Deutschland einspringen würde. Ich war dann nicht wirklich überrascht kurze Zeit später Slap-Attack-Basser Lars Lehmann aus Hannover neben dem britischen Gitarrist Connor Selby auf der Bühne zu sehen. Lars war der älteste im Quartett, machte trotz minimalster Vorbereitung eine ausgezeichnete Figur und setzte mit seiner Spielart öfters zusätzliche Akzente. Und es ist wie am Vortag, man startet mit dem etwas schüchternen, introvertiert wirkenden Barden aus Essex ruhig und besinnlich in das zweite lange Tages-Programm. Er hat schon ein bewegtes Leben an vielen Orten dieses Globus hinter sich und ist ein Hoffnungsträger des britischen Blues. Das Quartett spielt trotz, oder meines Erachtens wegen Gast-Bassisten Lars, einen souveränen Auftritt und das Gedränge vor der Bühne nimmt zu. Kurze Umbaupause und danach Kontrast-Programm. Und wie ich bereits bei Melody Angel erwähnt hatte, hat Judith Hill aus Kalifornien nicht nur ihre Mutter Michiko an Keyboards mitgebracht, nein sie setzt noch mit ihrem Vater Robert Lee „Peewee“ Hill am Bass einen obendrauf. In einem musikalischen Haushalt, in den Berühmtheiten oft zu Gast waren, dort probten oder Musik aufnahmen, war es schwer für Judith Musik zu ignorieren. Sie machte ihre ersten Gehversuche als Backgroundsängerin, bevor sie durch ihre Teilnahme an der US-Gesang-Talentshow The Voice einem breiteren Publikum bekannt wurde. Seit 2015 konzentriert sie sich auf ihre Karriere als Solokünstlerin. Sie erlangte internationale Bekanntheit als sie 2009 bei der Trauerfeier von Michael Jackson dessen Hit Heal The World sang. Ihr Debüt Back In Time hat Prince mitproduziert, mit ihm lebte sie auch lange zusammen bis zu seinem unerwarteten frühen Tod. Aber Judith hat es absolut nicht nötig sich mit berühmten Federn zu schmücken, denn Judith Hill ist nicht nur als Gitarristin eine Wucht. Gepaart mit ihrer kraftvollen, phänomenalen Stimme, erzeugt sie mit ihrem Soul und Funk getränkten Blues-Rock-Kompositionen eine sog-artige Bühnenpräsenz, man hängt ihr förmlich an den Lippen. Sie ist, nicht nur wegen des familienübergreifenden Projekts, genau das Gegenteil zu Connor, in jeder Hinsicht. Nach einer energetischen Show wird es nach kurzem Umbau wieder etwas ruhiger und entspannter mit einer US-Blues-Legende. Jimmy Burns sitzt schon lange vor dem eigentlichen Startschuss zum Auftritt mit seiner Gitarre auf einem bequemen Stuhl, grüßt grinsend und gut gelaunt in die Menge, die Bühnentechniker wuseln um ihn herum und so gleiten wir mit dem Trio vom einpegeln der Instrumente übergangslos hinein in den Auftritt. Nicht ganz, denn der Veranstalter stellt sehr stolz seinen Künstler persönlich vor: „Jimmy Burns hat schon auf den Baumwollfeldern am Mississippi seinen Blues gespielt“. Er spielte natürlich auch seinen Hit I Really Love You, einige Blues-Klassiker, aber auch Titel von Toto und Allman Brothers, verbeugt sich damit musikalisch in beide Richtungen, was für eine schöne verbindende Geste. Ich beglückwünsche den inzwischen 81-jährigen Smooth Jimmy Burns nach dem Auftritt und er konterte mit einem strahlenden Lächeln: „Oh, my goodness.“ Jimmy: „Es gibt nur eine Art von Musik: gute Musik, das Genre ist mir egal, wichtig ist die Präsentation.“ Wie Wahr und Weise du alter, gutgelaunter US-Blues-Recke. Wie Henrik Freischlader musiziert Jimmy im Trio, hier mit E.G. McDaniel (Bass) und James Carter (Schlagzeug) und tatsächlich vermisst man kein weiteres Instrument. Das Publikum ist damit recht gut eingestimmt auf Robert Cray, einen weiteren übergroßen US-Blues-Star. Und viele sind genau wegen ihm in das Münsterland gepilgert. Seine musikalische Laufbahn begann in den frühen 80er und er hat von da an schrittweise seinen unverkennbaren Stil entwickelt, der sowohl traditionellen Blues als auch moderne Funk- und Soul-Elemente stark verknüpft. Darüber hinaus sind dabei seine ausdrucksstarke Gitarrentechnik und der darin eingebettete gefühlvolle Gesang von eindringlichen Texten sein Markenzeichen. Seine Geschichten haben oft soziale und persönliche Themen, die er Live auch gerne mit einem kurzen Vorwort zum Publikum einleitet, auch hier in Schöppingen. Robert’s Karriere entwickelte sich, zwei Jahrzehnte früher, ähnlich wie die von Joe Bonamassa, der auch innerhalb eines Jahrzehnts Kometenhaft aufstieg und sich zu einer Schlüsselfigur in der US-Blues-Szene etablierte, massenhaft erfolgreiche Alben veröffentliche, dutzendfach Preise einheimste und gern gesehener Mitspieler in vielen Konstellationen mit den berühmtesten Blues-Stars weltweit wurde. Mit vielen haben sogar beide Musiker zusammengearbeitet, Geschichten können sich eben wiederholen, manchmal sogar fast haargenau. (Bilder unten L/R: Connor Selby, Judith Hill, Jimmy Burns)

Damit habe ich nicht mehr gerechnet, meinen sehr verehrten Blues-Held Robert Cray mal Live in Deutschland erleben zu dürfen und dann sogar noch in so einem fantastischen Rahmen. Auf seiner weltweiten Groovin' 50 Years Tour macht er erfreulicherweise auch Station im Blues-Mekka Schöppingen nur eine Stunde Anreise von meiner Heimat entfernt. Der einzige echte Wolkenbruch der zwei Festivaltage, verbannte das US-Allstar-Quartett, immerhin hat Robert die zwei erfahrenen Weggefährten Dover Weinberg (Keyboards) und Richard Cousins (Bass) zur weltweiten Ochsen-Tour überreden können, in den hinteren Teil der Bühne. Wer aber das Privileg hat erste Reihe zu stehen, eine nette Besucherin bugsiert mich dorthin, der sieht dennoch die sprichwörtliche Magie von Roberts Spielweise, er unterhält sich tatsächlich mit seiner Gitarre. Die Mimik verrät deutlich, dass er einen Song nonverbal weitersingt und dazu der Gitarre die passenden Töne entlockt. Hier zeigt sich wie stark der Blues in ihm ist und das auch noch nach fast 50 Jahren. Darüber zu lesen oder hören ist die eine Seite, die vierköpfige Band in Aktion, seine meisterhafte Gitarrenarbeit und dabei seine charismatische Vokalarbeit hautnah mitzuerleben, eine andere. Bis hierhin schon einmal ein großes Kompliment an den Veranstalter, die gut gelaunten Besucher und das Wetter, aber auch der Ausklang des Festivals hat es dann in sich. (Bilder unten L/R: Robert Cray, Meghan Parnell, Scott H. Biram)

Manchmal finden die richtigen Musiker einfach zueinander, und genau das scheint hier passiert zu sein. Erst 2017 gegründet wurden Bywater Call für verschiedene Preise nominiert und haben in der weltweiten Festivalszene für Furore gesorgt. Allein 2023 spielte diese taufrische Band insgesamt 10 Dutzend Shows in einem Dutzend Ländern, über 100 Städten, in der Hälfte aller US-Bundesstaaten und drei der bevölkerungsdichtesten kanadischen Provinzen. Die Kanadier Bywater Call, eine junge Band aus Toronto, hatten schon 2023 beim Herzberg-Festival nicht nur mich mit einem fulminanten Auftritt bei strahlenden Sommerwetter überrascht und begeistert. Diesmal war aber die Hürde nach zwei Blues-Legenden hintereinander hier in Schöppingen bereits sehr hoch, aber dieses spielfreudige Septett nahmen das Hindernis mit Leichtigkeit. Selbst ein technisches Problem am Mikro der Front-Sängerin Meghan Parnell, ihr fesselnder Gesang ist melodisch mit rauem Unterton und damit sehr passend für deren ungewöhnlichen Kompositionen, überspielten sie fantastisch mit einer 10-minütigen kurzweiligen Jam bei denen sich die Mitglieder mit strahlenden Gesichtern massenhaft musikalische Duelle lieferten. Meghan und Dave Barnes sind die treibenden Kräfte hinter dieser kraftvollen siebenköpfigen modernen Roots-Rock-Band. Die rockigen Elemente erinnern mich an einige US-Jam-Rocker, New Orleans Funk und Southern Soul auch an Dave Matthews oder JJ Grey. Hier wieder so ein jugendlich frisches Blues-Orchester wie die Skybenders oder am Vortag D.K. Harrell, das spielerisch den Spagat zwischen Nostalgie und Moderne mühelos schafft. Diese eng verbundene Gruppe hervorragender Musiker, Bywater Call wird vervollständigt durch Schlagzeuger Bruce McCarthy, Mike Meusel am Bass, Keyboarder John Kervin, plus vibrierenden Bläsersektion Stephen Dyte an der Trompete und Julian Nalli am Tenorsaxophon. Dieses funkige Monster hat seine Reise erst begonnen und wird sicher noch für Überraschungen sorgen, im Studio und bei Auftritten. Ich werde es weiterverfolgen und mich auf die nächste Begegnung mit der jungen Truppe aus Toronto freuen. Virtuoses Keyboardspiel und dazu die charakteristische Stimme von Neal Francis (The Heard) ist die Basis und Grundlage, um mit klassischen Elementen des R&B und modernen Einflüssen aus Blues, Funk und Soul eine eigenständige Mixtur zu schaffen. Damit hat sich der junge Musiker eine einzigartige Position in der heutigen Blues-Szene verschafft. Eigentlich habe ich das in diesem Festival-Bericht schon bei Auftritten einiger anderer Musiker herausgestellt. Aber es war genauso wie berichtet, das mich erneut dazu bringt zu sagen, die heutige Blues-Szene tritt nicht auf der Stelle, sondern ist modern, vielfältig und erfrischend. Ich wäre gerne noch bis zum Schluss geblieben und hätte dem kraftvollen Auftritt des aufstrebenden Musiker Neal Francis O'Hara aus Chicago noch bis zum Schluss beigewohnt, aber mein Zeitplan und dass sich verschlechternde Wetter ließ mich nach einigen Liedern die Entscheidung zur Rückreise in die Heimat beschließen. Ich verlasse unter den Blues-Klängen und einsetzenden Regen das immer noch proppenvolle Festival-Gelände. Ich nehme viele neue Eindrücke mit und kann bestätigen das dieses Blues Festival Schöppingen das Prädikat International komplett mit Leben gefüllt hat. [B_T: Roland Koch]

Info Promo – 31. Internationale Blues Festival – Schöppingen, Vechtebad (DE)

Künstler Samstag, 18. Mai 2024: 14:00-15:15: Amy Helm (US) — 15:45-17:00: D.K. Harrell (US) — 17:30-18:45: Melody Angel (US) — 19:15-20:30: The Cinelli Brothers (UK) — 21:00-22:15: Henrik Freischlader (DE) — 22:45-00:00: Eddie 9V (US) — Greenstage: Denis Cassiere (IT)

Künstler Sonntag, 19. Mai 2024: 14:00-15:15: Connor Selby (UK) — 15:45-17:00: Judith Hill (US) — 17:30-18:45: Jimmy Burns (US) — 19:15-20:30: Robert Cray (US) — 21:00-22:15: Bywater Call (CA) — 22:45-00:00: Neal Francis (US) — Greenstage: Scott H. Biram (US)

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