Treffen: Sonora Blues trifft Gäste – Edewecht (DE_NS)

Veröffentlicht am 6. Juli 2025 um 00:02

Going Up The Country oder: Weit zurück zu puren Wurzeln - Wir sind wie damals vor über 200 Jahren durch ländlichen Regionen unterwegs, nicht mit einem Planwagen von Osten in den wilden Westen, sondern schwach motorisiert und voll beladen von Süden in den hohen Norden, wieder zurück in den Süden, gleich nach zwei Tagen erneut in den Norden und abschließend in den Süden.

Dabei haben wir einige Blues-Schauplätze besucht oder gestreift: Schöppingen, Binz, Göhren, Jeinsen, Bremerhaven, Edewecht. Moment mal, Edewecht, was ist da denn los. Ein 4-tägiges Blues-Fest (Mittwoch bis Samstag) Nähe Hannover schreibt: „Grosser Blues im kleinen Jeinsen.“ Das stimmt durchaus, können wir bestätigen, aber das geht sicher doch noch spektakulärer, oder nicht ?? Beispielsweise: „Internationale Blues-Stars im ländlichen Edewecht.“

Zufällig haben wir auf unser Blues-Kreuzfahrt von vier Blues-Enthusiasten von einem Gastspiel der besonderen Art Kenntnis bekommen. Heike Reil, selbst auch in der Musik unterwegs, lädt zusammen mit Familie und Freunden immer wieder mal Gäste zum Musizieren und Schnabulieren ein. Diesmal kommen gleich aus drei verschiedenen Städten die Musikanten angereist. Der stattliche Genueser Stefano Ronchi, alias Gitarrist und Sänger Stef Rosen, mit dem Schienen-Express aus Berlin, Frank Rihm mit technischen Equipment aus dem bereits erwähnten niedersächsischen Jeinsen sowie noch vier weitere Musiker mit einem modernen Cadillac aus der Domstadt Köln kommend. Durch Zufall stehen wir bei der Anreise an einer Kreuzung am Küstenkanal Edewechterdamm und sehen den riesigen schwarzen Cadillac auf der anderen Straßenseite. Der Fahrer mit dunkler Sonnenbrille ist Gitarrist und Bandleiter Jan Hirte. Daneben, eine vergilbte Straßenkarte in der Hand, Pianist und Organist Matthias Falkenau. In den beiden bequemen Sitzen dahinter ist es mit dem Trommler Carlos Dalelane aus Mozambique und Sängerin Txako Jones aus dem spanischen Sevilla wahrlich international.

Schnell ist bei diesen Profis die Technik entladen und aufgebaut, die Instrumente gestimmt, alles sauber eingepegelt. Txako hat sogar noch genügend Zeit für Kosmetik, sie sieht wieder hinreißend aus. Auch die Gäste treffen tröpfchenweise ein, bei herrlichen Sommerwetter wird geplaudert und gelacht. Und dann geht es schon pünktlich los im Alten Nähstübchen mit der Trio-Formation Sonora Blues, mit Jan Hirte an Gitarren, Frontsängerin Txako Jones und Stef Rosen an Gitarren und am Mikro. Die „Bühne“ ist proppenvoll mit Instrumenten, vier Gitarren, komplettes Schlagzeug, Leslie-Kabinett und Orgel, halbes Dutzend Verstärker, mehrere Mikros mit Ständer. Und nicht zu vergessen, Stühle für die Musiker. Wer jetzt meint, das geht nicht auf unter 10 Quadratmeter, schaut nach bei den Bildern und staunt !! Eine ähnliche Situation hatten wir kurz vorher bereits einmal erlebt bei den beiden Club-Auftritten in der Villa Salve im Rahmen des Blue Wave Binz. Dort spielte Carlos Dalelane Bass und Igor Prahin aus Rumänien saß hinter den Trommeln. Während hier in Edewecht die drei sich warmspielten und die Verbindung zum Publikum aufbauten, wurde von Carlos oder Matthias immer wieder am Klangbild gefeilt. Was sehr auffällig war, die Atmosphäre zwischen allen Menschen im etwa fünfzig Quadratmeter Raum war von Beginn an sehr gut. Trotzdem alle sehr konzentriert waren, diesen fünf Freunden auf Augenhöhe merkte man an, das sie oft und gerne miteinander musizieren. Die Dialoge innerhalb der Band trugen zur heiteren Stimmung bei. Txako meinte: „Ja sind wir hier denn bei einer Blues-Comedy-Veranstaltung ??“ Apropos Txako, ihre variantenreiche Stimme und ihre Ausstrahlung waren umwerfend. Bei einem Schluss-Refrain sang sie ohne instrumentale Begleitung und Mikro mit geschlossenen Augen verträumt in Richtung Publikum, ein Gänsehaut-Moment !! Ebenso atemberaubend waren der Gesang und Dialoge von Stefano. Die beiden spielten sich in den entsprechenden Textstellen die Bälle zu wie bei einem alten Ehepaar. So etwas kann nicht einstudiert werden und das bekommen nur die ganz besonderen Stars der Blues-Szene hin. Und das wir hier die Elite des europäischen Blues auf der Bühne bewundern durften, steht außer Frage !!

Und Gastgeberin Heike Reil hatte sich, wie wir auch, das wunderbare Lied I’d Rather Go Blind (Ellington Jordan, Etta James) in der schönen und prämierten Interpretation Tennessee Whisky von Stef Rosen gewünscht. Was für ein Feuerwerk an Emotionen, eine bärenstarke Gesamtleistung von zwei herausragend Gitarristen und zwei Stimmen, die zum dahinschmelzen bringen, nein noch stärker, die einen fesseln und mitnehmen in diesen Frau-Mann-Dialog. Nach dieser sehr emotionalen Präsentation von Txako Jones, Stef Rosen und Jan Hirte als Sonora Blues, müssen sich erst einmal die Rieselpartien am Rücken wieder etwas beruhigen, also Pause mit Speisen, Getränken und Fachsimpeln. Kräfte sammeln für die zweite Hälfte des Gastspiels. Zu dem Trio gesellen sich nun am Schlagzeug Carlos Dalelane und an der Leslie-Orgel und Bass-Pedal Matthias Falkenau. Damit bekommt der zweite Teil des Voll-Programms Richtung Sonnenuntergang eine etwas rockigere Ausrichtung.

Auch dieser zweite Teil des Auftritts ist geprägt von einer homogen hohen Qualität beim Gesang und an allen beteiligten Instrumenten. Matthias lässt mit geblähten Wangen die rotierenden Hörner seiner Leslie-Box schreien, Carlos zaubert immer wieder kleine Voodoo-Trommel-Figuren in den sich schlängelnden Rhythmus ein, Jan und Stefano wechseln sich beim Rhythmus und Solis mit zwei unterschiedlichen Klangfarben taktisch kongenial ab, die immer präsente Txako dirigiert ihre Männer und baut ihre glasklaren Gesangsteile geschickt in die wilde Stampede der Cowboys ein. Selbst Gast Frank Rihm setzt bei einigen Titeln immer wieder sehr schöne Akzente mit seiner Harmonika. Er hat auch eine sehr schöne Singstimme, aber das ist ein anderes Thema. Zum Abschluss gibt es noch einmal ein 10-minütiges Rhythmusmonster, bei dem sich alle Akteure auf der Bühne in einen wahren Rausch spielen. Das Publikum ist aus dem Häuschen, wollen nicht glauben das es schon vorbei sein soll. Txako stimmt nach einer weiteren Zugabe am Ende einen Canon an und unter begeisternden Klatschen und Singen der Besucher ziehen sich die einzelnen Künstler, die auch alle kraftvoll mitklatschen, zurück nach draußen in den sommerlichen Garten. Zuletzt verlassen Carlos und Stef den Schauplatz. Ja, was war das denn, eine Band beklatscht das Publikum. An alle, die dabei waren: vergesst diese Momente nicht, denn sie sind wahrlich nicht im Dauer-Abo zu bekommen. Alle, die es mit ihren Chevi’s, Buicks, Ford’s und auch Cadillac’s nicht zum Weser-Ems-Blues geschafft haben, Chance versäumt, aber ich bin ganz sicher, dass es Anfang Februar 2026 mit dem Winterblues Bremerhaven ganz in der Nähe ein Wiedersehen geben könnte. Frank, denk an deine Harmonikas !!

Was Txako, Jan, Stefano, Carlos, Matthias, Frank hier in Edewecht geliefert haben, ist mit Worten kaum zu beschreiben. Wir glauben, dass es diesen sechs fantastischen Musikern selbst nicht klar ist. Wir gehen hier nicht nur mit der Musik zurück zu den puren Blues-Wurzeln, sondern auch mit der Art, wie sie damals oft in der Wiege des US-Blues zu den Menschen gebracht wurde !! Genau; die Musiker kommen im Cadillac, im riesigen Kofferraum die Instrumente, aussteigen, einstimmen und loslegen, manchmal mit Liedern auf Zuruf aus der Menschenmenge !! Und so auch bei unserem Quintett bei den gespielten Titeln von beispielsweise B.B. King, Lowell Fulson, Bessie Smith, besonders Robert Johnson. Spontan direkt auf der Bühne kurz verabredet und dann in der Interpretation und Interaktion dieser Musiker wurde gespielt und agiert, und wie !! Das so etwas in dieser immer herzloseren, düsteren Zeit passiert, ist kein Zufall. Diese Truppe müsste 365 Tage im Jahr, dreimal am Tag vor Menschen in ganz Europa musizieren, denn die musikalischen Botschaften, die sie uns bringen, waren schon für die Menschen vor über 100 Jahren in Going Up The Country sehr wichtig.

Das Schlusswort geht an unseren lieben Jan Hirte. Wir haben deine Geschichte in den letzten Jahren sehr genau verfolgt, teilweise nachzulesen auch in deiner Werkschau, sind tief eingetaucht in den Jan-Kosmos und möchten dir als Bandvorstand ein besonderes Prädikat aussprechen. Wer um solche charismatischen Vokalistinnen wie Jessie Gordon (Ginger Blues), Gemma Abrié (Sängerin und Kontra-Bassistin aus Barcelona), Angela Cory (Angela Cory Blues Band), Txako Jones (Jones & The Crew, MadeMyDay, Sonora Blues) immer wieder eine passende Band formt und eine musikalische Ausrichtung in dieser TOP-Qualität erarbeitet und sogar immer unermüdlich kollegiale Gäste wie beispielsweise diesmal Harmonika-Artist Frank Rihm mit einbindet, der ist ein wahrer Blues-MEISTER. Wir hatten im Club Villa Salve Binz und auf der Pink Piano Bühne Binz sowie bei deinen Workshops im Blues Camp Göhren auch in diesem Jahr 2025 wieder öfters die Gelegenheit, dich in freier Wildbahn zu beobachten. Wir haben gesehen, wie deine „Blues-Jünger“ dich berechtigt mit strahlenden Augen voller Bewunderung und Respekt anschauen. Vielleicht weisst du das und spürst es auch, aber wir wollten das nach diesem sehr emotionalen Abend beim Weser-Ems-Blues mit Sonora Blues UND Jones & The Special Crew noch einmal sehr deutlich, auch im Namen vieler deiner Fans, zu dir transportieren. Wir freuen uns, dich und deine Mannschaften bei nächster Gelegenheit wieder umarmen zu dürfen. DANKE für dutzendweise unvergessliche Momente in Binz, Göhren, Jeinsen, Edewecht !!

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