Go Sessions – Das Land der rot aufgehenden Sonne prallt auf´s Abendland oder Stomu Yamashta trifft Steve Winwood. Die schöne japanische Temple-Stadt Kyoto (besucht die mal während der Zeit der Kirsch-Blüte) steht bis 1964 im Mittelpunkt des in der Rock-Musik recht unbekannten Komponist, Produzent, Arrangeur, Experimental-Künstler, Schlagzeuger und Tasten-Artisten Stomu Yamashta.
Nach seinem US-Studium (Jazz-Schlagzeug, bis 1969), nimmt Tsutomu Yamashita = 山下勉 (ツトム ヤマシタ) bis 1971, mit ausschließlich japanischen Musikern, mehrere Solo-Werke für das Label Columbia Nippon (Studio: Percussion Recital und Metempsychosis) sowie auch Live zweiteilig The World Of Stomu Yamash'ta (Tokio, Small Metropolitan Cultural Hall, 11. Januar 1971) auf. Weiterhin auch noch als Yamashta & The Horizon das zweiteilige Avantgarde-Werk Sunrise From West Sea: Live (Tokio, Yamaha Hall, 18. April 1971). Trotz dieser Arbeitswut hinterläßt Stomu Yamashta damit aber weltweit kaum Spuren, besonders nicht in der populären Rock-Musik. Deshalb wechselt Stomu direkt nach London, in den internationalen Schmelztiegel der damaligen Rock-Szene. Er knüpft erst einmal an seine ersten Arbeiten in Japan an und nimmt im Alleingang sofort das experimentelle Perkussion-Solo-Album Red Buddah auf. Weiterhin arbeitete er aber, wie vorher auch, mit verschiedenen Musikern an unterschiedlichsten Aufnahmen. Zudem arbeitet er in der britischen Hauptstadt an der Themse parallel unmittelbar in der Trio-Formation Come To The Edge von Morris Pert. Diese Truppe spielte das Instrumental-Album Floating Music (1972, Neuauflage 2008 bei Esoteric) mit vier (natürlich) langen Titeln ein. Die zwei Titel der Vinyl-B-Seite, wurden sogar wieder mal Live, diesmal in der Londoner Queen Elizabeth Hall am 10. Januar 1972 mitgeschnitten. Dann macht der Projekt-Hüpfer mit dem bereits in Japan Anfang 1972 initiierten und formierten Stomu Yamashta's Red Buddha Theatre weiter, ein Parallel-Projekt das im Oktober und November 1972 Live (diesmal Paris) und im Studio (wieder London) das einzige Album The Man From The East (1973) einspielte. Auch das nächste Album Freedom Is Frightening (1973), des neuen, nachfolgenden Projekt East Wind, immerhin ist hier Soft-Maschinist Hugh Hopper, Isotope-Gitarrist Gary Boyle und Keyboarder Brian Gascoigne mit dabei, ist nun bei Esoteric 2008 neu veröffentlicht worden. Es folgte 1974 noch das zweite East Wind Film-Musik-Album One By One und das Solo-Album Raindog (1975) mit dem gleichen Personal (plus Gesang von Murray Head und Maxine Nightingale), dann war auch diese Phase abgeschlossen. Alles was dieser kreative Unruhegeist bis Ende 1975 in verschiedensten Kombinationen erschaffen hat, ist sehr sperrig (aber teilweise für Liebhaber von Nischen-Musik auch wieder sehr interessant) und kann zusammengefasst als Avantgarde-Musik kategorisiert werden. Das meiste Material, von Floating Music (1972) bis GO Live (1976), wurde in der Box Seasons (The Island Albums 1972-1976) im Juli 2022 noch einmal veröffentlicht. Erwähnen möchte ich auch noch, das bei vielen Projekten von Stomu auch seine Frau Hisako Yamashta als Sängerin und/oder mit der Violine beteiligt war, auch bei seinem Karriere-Höhepunkt, dem Go-Projekt.
Das war mal eine schwer zu durchschauende Einleitung für den nun folgenden Hauptgang Stomu Yamashta's Go. Für das nächste und bekannteste Kapitel öffnet sich dieser fernöstlich geprägte Paradiesvogel nun doch etwas mehr der abendländlichen, fusionierten Musik. Sein damaliges Label Island suchte nun nach anderen Pionieren die mit Stomu auf Augenhöhe musikalische Visionen in einem gemeinsamen Schmelztiegel verschmelzen und um mit dieser neuen Melange dann neue Pfade in der Rock-Musik zu erforschen. Das Forscher-Team um Stomu Yamashta ist schnell, vor allem im eigenen Stall mit Steve Winwood (Spencer Davis Group, Blind Faith, Traffic, Third World), Klaus Schulze (Tangerine Dream, Ash Ra Temple), Al Di Meola (Return To Forever), Pat Thrall (Pat Travers Band, Asia), Michael Shrieve (Santana), Rosko Gee (Can, Traffic), Julian Marvin (Bob Marley, The Wailers, Keef Hartley), Bernie Holland (Jody Grind), Peter Robinson (Episode Six, Quatermass), Jess Roden (Bronco, Butts Band, The Rivits), Jerome Rimson (Headstone), Karen Friedman (Thunderthighs) gefunden. Weitere erfahrene Gäste sind auch noch punktuell dabei, setzen zusätzliche Akzente. Die dabei entstandene Musik ist ein Cross-Over-Mix aus Rock, Jazz, Soul, Welt & Electronic Musik sowie auch eine starke Brise Ambient und New Age. Dieses Projekt, Kreativ-Kern: Yamashta, Winwood, Schulze, Shrieve, Meola, veröffentlichte nur drei Alben, Go (1976), Live From Paris (Palais Des Sports Paris, 12. Juni 1976) und Go Too (1977). Leider war der kommerzielle Erfolg relativ bescheiden, dennoch gelten besonders die Live-Aufnahme (Original auf Doppel-Vinyl) als Meilensteine des Fusion & Jazz-Rock der 70er. Wer das Glück hat die DCD The Complete Go Sessions (2005: Raven Records) noch irgendwo zu bekommen, der hat dann alle bisher VÖ Aufnahmen komplett. Und das sage ich so nicht ohne Grund, denn wer sich einmal auf diese Musik eingelassen hat, der möchte auf keinen Teil dieser Sessions verzichten. Einen einzelnen Titel aus diesem Gesamtwerk herauszustellen ist für mich nicht einfach, denn die Betonung liegt auf Gesamt. Ich als früher Fan von Steve Winwood liebe natürlich alle Passagen mit seinem signifikanten Gesang, den er virtuos mit allerlei instrumentalen Gerätschaften stimmig untermalt. Also hört euch Crossing The Line, Ghost Machine oder Winner/Loser vom Debüt an, der absolute Hammer !! Mein Weg führte, wie nicht anders zu erwarten, von Traffic´s On The Road (1973) und When The Eagle Flies (1974) weiter zu den Go-Sessions. Wer sich alle fünf Alben genau anhört (3 Studio, 2 Live) wird schon nach dem ersten Durchlauf die Verbindungen zwischen den beiden Winwood-Phasen (Projekten) bemerken, aber auch die Weiterentwicklung mit der exotischen Instrumentierung sowie Arrangements. Wann wird endlich das restliche Material aus den Archiven geholt? Ich melde mich wieder wenn es soweit ist.
Nach Go ändert Stomu Yamastha seine grundsätzliche musikalische Ausrichtung nicht (warum auch), arbeitete danach aber hauptsächlich in seinem Heimatland und mit einheimischen Musikern zusammen. Nach einer kurzen Ruhezeit in einem buddhistischen Tempel kehrte Yamash'ta in die klassischen Konzertsäle zurück und begann New-Age & Ambient-Musik mit japanischen Einflüssen aufzunehmen. Seine Iroha-Serie umfasste Alben die den musikalischen Interpretationen jedes der alten Elemente (Erde, Wind, Wasser, Feuer) gewidmet war. Er nahm 1982 auch noch das Soundtrack-Album Tempest auf. Das einzige Album aus dieser Zeit, das weltweit veröffentlicht und vertrieben wurde, war Sea And Sky (1985). In den 90ern veröffentlichte Stomu die dreiteilige CD-Reihe Solar Dream und begann 2001 eine neue Reihe namens Listen To The Future. In unseren Breiten machte er bis heute wenig auf sich aufmerksam, nur seine Fans sind ihm treu und erfreuen sich bis heute an sein europäisches Gastspiel und eben dem GO-Projekt.
Auch Band-Leader Stevie Winwood hatte während seiner Zeit mit Traffic ein kommen und gehen innerhalb seines Projekts. Diese interessante Geschichte hat übrigens remo4 sehr schön, detailliert und plastisch im Rockzirkus beschrieben. Der Unterschied zwischen Stevie und Stomu war aber, bei Winwood und seinen Mannen stand (fast) immer nur Traffic drauf und es war auch immer nur Traffic in allen verschiedenen Facetten drin. Das ist vermutlich der Unterschied warum Traffic bis heute auch als Wegbereiter der rockigen Fusion und des Jazz-Rock bezeichnet und geschätzt werden und Stomu Yamashta's Go Projekt, trotz wunderbaren zeitlosen Kompositionen mit ebensolcher Wucht und Qualität, nur eine Randnotiz in der Geschichte dieser Zeit, aber bei Traffic ist und bleibt. Schade, diese Kompositionen hätten mehr Liebhaber die Besonders lieben verdient. [B: Promo (Traffic, GO Projekt), T: Roland]
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