Festival: Blue Wave Festival 2023 – Binz auf Rügen (DE)

Veröffentlicht am 10. Mai 2025 um 13:35

Vielfach prämiertes Blues-Festival & Premium-Blues-Trainingslager auf Rügen – Wir haben uns schon wochenlang auf unsere zwei Wochen auf der Trauminsel Rügen gefreut. Worauf genau, auf südfranzösisches Mittelmeer-Flair im Regenbogen-Camp, das Entspannen und Ruhen in unserem abgelegenen gemütlichen achteckigen Holzhaus am Waldrand unter Kiefern.

Zwei mehrfach prämierte Blues-Veranstaltungen in Binz und Göhren, auf die Menschen die uns begegnen, bekannte oder unbekannte. Wer die Beiträge Klingende Orte kennt, der weiß genau was ich meine, deshalb muss ich dazu nicht weit ausholen. Hier ist ein besonderer Ort der seit mindestens 25 Jahren auch die unbändige Kraft und Seele des Blues in sich trägt. Ich hoffe das es beim Blues Fest Jeinsen, von dort werde ich 2023 ebenfalls berichten, ebenso ist. Aber ich hatte dieses Jahr auch schon das Vergnügen im Rockhouse Salzburg eine fantastische Blues-Messe erleben zu dürfen, nachzulesen am Ende des Beitrags bei Klingende Orte Salzburg und an vielen anderen Stellen.

Vor über dreißig Jahren ist die innerdeutsche Grenze gefallen, dieses Jahr feiert das Blue Wave Festival hier im Ostseebad Binz bereits das unfassbare 25-jährige Jubiläum. Und wie !! Meine Interpretation für Blue ist Blues und blaues Meer, für Wave ist es Wellenspektrum, also Klang, Musik und Ostseewellen. Wunderbar präsentiert durch ein, verbindend durch viele Frauen und Männern, bei der Parade vom Start Schmachter See zum Ziel Seebrückenkopf getragenes 50 Meter langes, blaues Tuch, das die Blauen Wellen darstellt. Schon am Donnerstag gibt es Blues-Futter für aus ganz Deutschland angereiste Besucher. Das Stefano Barigazzi Quartett eröffnet mit dem ersten Club-Konzert. Sie sind quasi auch die Frühaufsteher des Festivals, stehen bereits schon wieder zur Mittagszeit am Seebrückenkopf, umringt von einer Menge interessierter Besucher. Der Veranstalter schreibt: „Die internationale Blues-Szene in Binz zu Gast. An vielen Ecken und Plätzen wird gezupft, gedrummt, geswingt und gesungen, dass New Orleans blass vor Neid wird.“ Ich hoffe der Veranstalter war mal am Golf von Mexiko, hat ein Festival dort erlebt. Wir haben am Gestade des Mississippi mal so ein Fest mitgefeiert und darf euch berichten das es in Binz noch viel besser war. Man kann den grauen Old-Man-River nicht annähernd mit der leuchtblauen Ostsee im Sommer vergleichen. Das Programm war aber, wie hier im Ostseebad Binz, auch flächendeckend zeitlich und örtlich in der Innenstadt verteilt, überall wurde gefeiert, musiziert, getanzt und es gab sogar auch eine Parade mit Marching-Band inklusive Tänzerinnen Beat’n Blow aus Berlin. Auch das French Quarter ist wie die mondäne Kulisse der Binzer Promenade einmalig. Aber Blue Wave Binz kann in jeder Hinsicht mit New Orleans mithalten. Und wenn ich später im Text berichte wer uns aus der Blues-Szene hier in Binz bespielt hat, da könnte es schon einige blutleere blasse Gesichter in der Wiege des Blues, vor allen den Südstaaten des nordamerikanischen Kontinents, geben. Das Konzept ist ähnlich und nahe an den Wurzeln des Blues. Diese Musik war immer Begegnung und Miteinander von Menschen. Mit so einem Konzept von Straßen-Parade, spontanen Auftritten, Konzerte auf kleinsten Bühnen mitten unter dem Volk, Club-Auftritte, steht die Nähe unter Menschen an allererster Stelle. Jeder Künstler war über ein kurzes Gespräch glücklich, alle haben sich immer sofort zu Bandfotos zusammengefunden. Gerade, das ist was wir im Moment brauchen, ich habe hier bei Blues-Binz wieder die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit gespürt. Aber wir müssen etwas mehr dafür tun, das gibt es nicht als simpel-leichten Freibrief. Also nehmt euch vor das wir uns wieder zum Blues irgendwo treffen.

Kostenlos, bis auf die abendlichen Club-Auftritte für Besucher ohne Kurkarte, ist aber das Blue Wave Festival in Binz. Und wer denkt wer nichts oder wenig zahlt bekommt auch nichts Ordentliches, der hat sich leider völlig verkalkuliert. Hier wird das Beste der internationalen Blues-Elite eingeladen, auch ungewöhnliche Formationen. Dieses Jahr zum 25-mal, mit natürlich vielen deutschen Künstlern, aber auch Stefano Ronchi sowie Stefano Barigazzi & Band (Italien), Roger C. Wade & The Houserockers (UK), Lucky Troubles (Polen), Jessie Gordon und Pugsley Buzzard (Australien, unten rechts), Ulf Sandström (Schweden), Kellie Rucker (USA), und eine international besetzte Mademyday Session Band am Sonntag. Für mich war durchgängig sehr hohes Niveau zu sehen und hören. Trotz starkem Wind, die geplante Feuer-Show am Freitagabend musste trotz guter Vorbereitung deswegen leider abgesagt werden, haben alle beteiligten Künstler bärenstark abgeliefert. Beim Blue Wave Jubiläum gibt es aber auch besonderes zu berichten. Einmal mehr haben mich 2023 die Damen wieder besonders beeindruckt, hier im zeitlichen Ablauf genannt. Die unermüdliche Blues-Lady Marion Wade an den bluesigen Klaviaturen etlicher Keyboards und auch mit Gesang, der sonnenscheue Paradiesvogel Jessie Gordon aus Perth mit brachialer Bühnenpräsenz und druckvollem Vokaleinsatz, US-Grande-Dame Kellie Rucker mit gefühlvoll Blues-Harp und Gesang, hier in Binz im fantastischen Akustik-Duo mit Tour-Kollege Richie Arndt. Und am Sonntag zum Abschluss der Rügener Blues-Festspiele die Band Virginia & Skybenders aus dem Süden Schwedens, mit einem fulminanten spontanen Auftritt auf der Hauptbühne vor dem historischen Kurhaus an der Strandpromenade direkt am Strand von Binz. Auch hier möchte ich zwei junge Damen im Zentrum des Geschehens besonders erwähnen, Maisan Gustafsson (Saxofon, Violine, Gesang) und Virginia Pihlblad (Frontgesang), die im Zentrum beschützt von ihren vier schwedischen Wikingern, leidenschaftliche Lebensfreude und Spiellaune präsentiert haben, die mitreißend war. Und auch Nachwuchs-Blueserin Siglinde sagte auf der Freilicht-Bühne im Regenbogen-Camp stolz mit schwäbischen Akzent und mit einer kollegialen Geste Richtung Band so treffend, „meine Männer !!“

Es gibt einige Fach-Magazine, auch für den Bereich Blues sowie deren prägende Instrumente, aber leider findet sich über Blue Wave Binz Blues Camp Göhren und Blues Fest Jeinsen, also drei mehrtägige großartige, schwergewichtige Veranstaltungen der Blues-Szene kaum Berichterstattung. Und wenn, wenig bis nichts. Selbst das Marketing für diese wunderbaren, leidenschaftlichen Künstler hier vor Ort an der urlauberstarken Bäderküste Rügens von Göhren bis Binz ist eher lahm und konservativ. In idyllischen Baabe fand im kleinen Kurpark eine Kinder-Veranstaltung statt, da war genauso viel Publikum wie vor der Hauptbühne in Binz. Das stachelt mich besonders dazu an, gerade deshalb über diese wunderbaren Klingenden Orte zu berichten. Ich werde in diesem Juni fantastische 16 Festivaltage Netto mit Blues im Premiumbereich erlebt haben. Wenn ich das Blues-Summit von AAA Culture im Rockhouse Salzburg dazu nehme sogar zwei Tage mehr. Die Bandbreite ging in dieser Zeit von Blues Master-Class-Duo Kellie Rucker und Richie Arndt über vielköpfige Marching-Band Beat’n Blow bis Blues-Big-Band City Blues Connection. Dazwischen Trio bis Septett, Profis und Freizeit-Künstler jeden Alters und Spielstärke, erfreulich viele Frauen zentral in der ersten Reihe; Sousafone, Ukulelen, Slide-Gitarren, elektrische Violine, Kontrabass, historische Hammond und immer die pure Leidenschaft für den Blues. Welches Genre bildet so eine Bandbreite ab und das auch noch Akustisch, Elektrisch und Vokallistisch Live.

Stefano Barigazzi & Band – Dieses junge italienische Trio aus Palermo, Stefano (Gesang, Gitarre), Fabio Bianchi (Sousaphone), Toby Glaser (Schlagzeug) und erweitert um einen Blues-Harp-Spieler, eröffnete die 25 Blues-Festspiele in Binz am Donnerstag mit einem abendlichen Club-Konzert vor ausgesuchten Publikum. Wir erlebten dieses Quartett stilecht als Straßenmusiker, am Zugang zur Binzer Seebrücke vor der Eröffnungsparade. Stefano, geboren 1996 in Reggio Emilia, begann 2006 Schlagzeug zu spielen, verliebte sich etwas später in den Blues, brachte sich selbst das Spiel mit der Mundharmonika bei. Fünfzehn Jahre alt begann Stefano zu singen und auch Gitarre zu spielen, gründete das in Italien beachtete Blues-Duo Poor Boys. Blues-Infiziert reiste Stefano 2018 nach New Orleans, 2019 gewann Barigazzi die Italian Blues Challenge mit der Band The Drive. Er ist seitdem gern gesehen auf den Blues-Festivals in Europa und 2023 auch Gast in Binz, wo er auch Titel seines Debüt Sittin’ Singin’ Old Songs (2020) spielt. Die Musik von Stefano Barigazzi ist tief im Delta-Blues, Country und Folk verwurzelt, gemischt mit einer Brise New Orleans Funk. Diese Musik ist selten in der europäischen Bluesszene und Barigazzi verfolgt zielstrebig und kompromisslos seinen eigenen Weg. Mit seiner charismatischen Energie, seiner sprühenden Leidenschaft für seine Musik und der Unterstützung einer erfahrenen Rhythmusgruppe erfreute das Blues-Harp gestützte Stefano Barigazzi Trio das Publikum und bereitete ein intensives und gefühlvolles Musikerlebnis. Das hinterließ sicher bei einigen bleibende Eindrücke, auch bei Zweiflern.

Pugsley Buzzard & The Swamp Orchestra – Der gebürtige Australier; Musiker, Band-Leader, Schauspieler, Komponist, Poet; kratzige Stimme aus Down Under Pugsley Buzzards, erzählt in seinen Kompositionen die Geschichten vom Leben gezeichneter Vagabunden und seine raue Baritonstimme passt zu den Höhen und Tiefen des Lebens optimal. Pugsley erinnert mich stark an Geschichten-Erzähler Tom Waits. Doch Buzz findet mit Berlin erst 2018 eine neue deutsche Heimat, nachdem er sich mit dem bekannten und weltoffenen Schlagzeuger Micha Maass angefreundet und musiziert hatte. Seitdem arbeiten die beiden an dem Band-Projekt Swamp Orchestra, bei dem sie ihre Ideen für obskure Klänge und Texte in die Tat umsetzen konnten, tanzen damit übermütig durch Zeit und Raum. Pugsley Buzzard selbst sagt: „Schräger Honky Tonk trifft auf den Zauber von Zappa und lädt die Beat-Poeten Kerouac und Ginsberg zum Drink ein.“ Er hat eine erstklassige Band um sich versammelt, damit macht er wieder einmal beim Blue Wave in Binz Station. Tausendsassa Micha tourt regelmäßig mit verschiedenen Projekten und Künstlern und organisiert auch eigene Konzertreihen und Festivals, wie auch hier wieder die 25. Ausgabe des Blue Wave Festival. Saxophonist Bernhard Ullrich verließ seine fränkische Heimat und spielte längere Zeit in verschiedenen hochkarätigen US-Formationen. Rob Gutowski wurde in Pennsylvania geboren und begann als Kind Posaune zu spielen. Dieser immer gutgelaunte Berliner Musiker hat bereits mit The BossHoss, Gentleman, Till Brönner und Einstürzende Neubauten zusammengearbeitet. Beide sind auch Mitglieder in der Marching-Band Beat’n Blow, die schon bei der Parade am Eröffnungstag ordentlich Krawall und Stimmung machten. Für das Fundament sorgt wie immer ruhig und gelassen Micha und der viel beschäftigte Bassist Tobias Fleischer. Dieses eingespielte Quintett sorgt bei sommerlich sonnigen Wetter und steifer Ostsee-Brise mit dieser besonderen Instrumentierung ohne leitende Gitarren noch für zusätzliches frisches Gebläse im Pink Piano Areal. Der Blickfang Pugsley thront über seiner Tastatur, singt mit knarzigen rauen Bariton seine selbst geschriebene Lyrik. Auf der anderen Seite, auch ein echter Hingucker, die beiden Blechbläser Bernd und Rob, die sich ständig anstrahlen und anstacheln, sich bei vielen Solos kollegial unterstützen und im Doppelpack richtig druckvoll agieren. Mit der im Hintergrund ruhig agierenden Rhythmusgruppe eine Truppe die auch ohne Club-Atmosphäre an der Promenade die Zuschauer mitnimmt und sicher auch einige überrascht hat. (Bild links: Bernhard Ullrich, Swamp Orchestra)

Lucky Troubles – Blues aus unserem direkten östlichen Nachbarland Polen, genauer Posen ?? Echt, das gibt es tatsächlich !! Und was für einen akustischen Dampfhammer haben wir mit Lucky Troubles hier im Festival-Areal am mondänen Kurhaus erlebt. Die passend östliche der drei Bühnen ist etwa so groß wie drei Bierdeckel. Dort findet in irrsinniger Geschwindigkeit Aufbau und Einmischen der Technik statt. Wo andere Künstler gerade mal die Gitarren eingesteckt haben, sind Maciej Zdanowicz von Glasspop (Akustische), Jakub Andrzejewski von Pokój Numer 3 (Akustische, Gesang), Andrzej Kownacki (Schlaggeräte), bereits warmgespielt und legen los wie ein Railroad-Express in Reisegeschwindigkeit von Memphis nach Nashville. Wieder so ein erfahrener Trupp junger Wilder, ähnlich wie das Barigazzi Trio oder die schwedischen Skybenders. Der Titel ihrer Debüt-Single Burning Tires (2022) spricht für sich. Hier riecht es nicht nur nach Gummi, sondern auch nach verbrannter Hornhaut. Wahnsinn was die mit ihrem Gitarren-Trommel-Arsenal auf dem Bierdeckel veranstaltet haben. Einige Leute blieben mit offenen Mund und Eistüte in der Hand stehen und staunten, wie auch ich, nicht schlecht.

Stefano Ronchi – alias Stef Rosen alias Slide-Wolf „gilt als einer der innovativsten und authentischsten Bluesmusiker, die in den letzten Jahrzehnten in Europa aufgetaucht sind.“ Erfahrener italienischer Gitarrist, Komponist, Vokallist, Mix & Mastering Techniker und Produzent Bereich Blues, mit Wurzeln in Genua, Ligurien, Norditalien. Damit ist er auch die allerbeste Wahl als Dozent für den früh ausgebuchten und gut besuchten Workshop Moderne Blues Gitarre im Blues Camp. Stefano, Jahrgang 1982, hatte nach einem schweren Unfall Mitte 2022 und nachfolgenden 6-monatigen harten Kampf seine Gesundheit und Beweglichkeit zurück zu gewinnen, krankheitsbedingt kaum Zeit mit seiner Gitarre und Stimme zu üben. Alles das ist ihm bei allen Auftritten beim Blue Wave und Blues Camp überhaupt nicht anzumerken. Ganz im Gegenteil, ich finde das Stef sich in dieser für ihn sehr schweren Zeit in jeder Hinsicht enorm weiterentwickelt hat. Er arbeitete darüber hinaus noch als Tontechniker und Produzent sehr erfolgreich im Berliner Fuzznote Studio. Für seine Technik-Arbeit an Unknowable Journey (2020) von Ginger Blues wurde er Mitpreisträger Album Of The Year. Sein neues Album Soulify (2022, Timezone Records) wurde für bestes Album Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert. Alle seine vielen gefühlvollen Beiträge bei den beiden mehrtägigen Veranstaltungen in Binz und Göhren waren beseelt von Blues. Der junge Künstler ist mit seiner wunderbaren Stimme immer eine Bereicherung jedes Ensembles, besonders hat mir sein Duett mit Jessie Gordon bei Tennessee Whiskey am letzten Abend im Blues Camp in Göhren gefallen. Hier wurde im Kreis mit der Band Ginger Blues eine Premium Blues Party gefeiert. Nah dabei waren auch Marion & Roger Wade und die gute Flasche Whiskey von Stef. Mit Roger spielte Stef Rosen im Kurpark Binz an der imposanten Promenade auch ein fulminantes Akustik-Set als Duo Rosen & Wade. Aber auch als beliebter Dozent und ebenso in verschiedenen Bandgefügen ist er mehrmals bärenstark aufgetreten. Der von Jessie und Stef zelebrierte Titel Tennessee Whiskey, hat dabei das Publikum im Regenbogen Camp von den Sitzen gerissen und zu Beifallsstürmen hinreißen lassen. Hier sind Begriffe wie Sternstunde und Magisch angemessen. Stef, wir haben dich beim Jeinsen Blues sehr vermisst !!

Georg Schroeter & Marc Breitfelder – Noch so eine musikalische Blues-Partnerschaft auf höchstem Niveau. Hier bestehend aus den beiden Kielern Georg Schroeter an Keyboards, Piano und Gesang sowie Marc Breitfelder an Mississippi-Saxofonen. Ihre gesammelten Auszeichnungen sind inzwischen Seitenlang. An der Spitze, die Teilnahme als deutsche Blues-Musiker am weltweit größten Blues-Contest auf US-Boden, der 27. Internationalen Blues Challenge (IBC, Finales vor 2.000 Besucher im Orpheum Theatre) 2011 in Memphis (Tennessee). Den gewannen sie und damit hat das Duo Schroeter & Breitfelder ein Stück Musikgeschichte geschrieben, in dem sie erstmalig den begehrten US-Preis aus dem Mutterland des Blues nach Europa entführen konnten. „Blues im Weltklasseformat: Blues-Harp, Piano, Stimme, Atem sind bei den zwei Kielern bis in kleinste Verästelungen ineinander verwachsen.“ Durch eine selbst entwickelte Überblastechnik erreicht Marc Breitfelder auf der Mundharmonika Dimensionen, die weltweit, Zuhörer, Harmonika-Liebhaber und Kollegen, fasziniert. Seine unvergleichlichen Mundharmonika-Soli, unter anderem auch einen Zug durch den Saal heulen und donnern zu lassen, sind inzwischen sein Markenzeichen. Auch beim Binzer Blue Wave donnerte der US-Steel-Train-Amtrak lautstark über die Promenade. Marc’s Töne, Klänge, Harmonien, immer tief verwurzelt im traditionellen klassischen Harpspiel, werden durch das variantenreiche, zwischen kraftvoll und sanft, wechselte Piano von Georg Schroeter noch unterstrichen. Beim Auftritt in Binz trat das Duo mit dem jungen Gitarristen Kalle Reuter und Schlagzeug-Urgestein Martin Röttger als Schroeter Breitfelder Band auf, spielten auch Titel vom aktuellen Album Corona Lockdown Studio Blues (2020). Weiterer Höhepunkt für das Publikum war die Ultralang-Version Cocaine von Tusla-Legende JJ Cale, hier war richtig was los vor der Bühne, es wurde zur Freude des Vierers mitgesungen und getanzt. Die Truppe hatte das Eis gebrochen und es ging sogar auf Wunsch des Publikums in eine Verlängerung.

Ginger Blues Featuring Jessie Gordon – Der instrumentale Kern besteht aus dem erfahrenen deutschen Trio Jan Hirte (Gitarren) und Matthias Falkenau (Orgel, Piano) von Blue Ribbon sowie Multi-Instrumentalist Dorian Gollis (Kontrabass), alle drei steuern auch Gesang bei. Ukulele spielende Frontstimme ist der explosive Paradiesvogel Jessie Gordon aus Perth, Down-Under. In einem Gespräch sagte mir Jessie, dass sie sich in den vielen Wochen hier in Europa sehr wohlfühlt, auch mit Dorian, Jan und Matthias, aber ihr Lebensmittelpunkt im Moment West-Australien bleiben wird. Diese symbiotische Formation hat inzwischen zwei beachtenswerte Alben veröffentlicht, nach Berlin Nights (2017) zuletzt 2020 das von Gästen unterstützte Unknowable Journey. Dafür hat Stef Rosen alias Stefano Ronchi einen Preis für seine Technik-Arbeit eingeheimst. Die mit Preisen überhäufte Jazz- und Bluessängerin Jessie begann schon als 16-jährige Teenagerin ihre Karriere und hat seitdem in allen vorstellbaren Konstellationen musiziert, vom Jazz Duo bis zur Big Band. Sie hat auf Festivals in ganz Australien gespielt und tourte bereits durch Singapur und ganz Europa. Neben den Blues-Urgesteinen Jan Hirte und Matthias Falkenau, Jan Hirte war auch noch mal am Sonntag mit Swamp Orchestra ohne Bläser auf der Bühne, wird die Alters-Balance in diesem Quartett durch Bavarian Dorian Gollis ausgeglichen. Der sympathische studierte Bassist spielt fast alle Instrumente, hat schon Material für ein Album, das er Solo eingespielt hat in der Schublade. Seine ständige Präsenz in Binz und Göhren und resultierend daraus der enorme Zuspruch der vielen fachkundigen Gäste hat ihn bestärkt nun noch offensiver an seiner Karriere zu arbeiten. Das bedeutet für ihn komponieren, musizieren und aufnehmen. Dieses Quartett spielt eine gelungene Mischung aus Blues, Country, Jazz und Swing, nutzt damit die Stärken aller vier Akteure gnadenlos aus. Beim einstündigen sonnigen Auftritt in Binz klappte mir regelrecht die Kinnlade runter, sie war geprägt durch erstklassigen Vortrag des Quartetts. Schade, das Ginger Blues wegen des aufkommenden starken Windes in die beengte Muschelbühne verbannt wurde, da konnten sich Jessie Gordon sowie Tasten-Derwisch Matthias Falkenau nur eingeschränkt austoben. Auch der Auftritt ein paar Tage später im Regenbogen Camp in Göhren war trotz schwächelnder Technik ein echter Genuss. Die vier Profis haben die Probleme routiniert überspielt und atmosphärisch noch eine Schüppe draufgelegt. Die Gäste honorierten das mit lautstark-tossenden Applaus, reichlich Spenden wegen ungeplant und honorarlosen Auftritt in den umlaufenden Hut und ordentlich Konsum am Merchandise. So macht Blues richtig Freude !!

Kellie Rucker & Richie Arndt – „Früh wurde klar, dass Richie Arndt mehr von Gitarristen der britischen Inseln als von denen der Staaten beeinflusst war – also eher Rory als B.B..“ Es gab schon viele schwergewichtige Projekte und Kooperationen auf dem langen musikalischen Lebensweg von Richie, beispielweise Rorymania mit Alex Conti, Gregor Hilden und Henrik Freischlader eine Wall-Of-Guitars; Richie Arndt & Friends, German Blues Project, Dissidenten. Dazu unzählige andere Konstellationen, von Solo bis vielköpfige Formation, bei denen es nicht immer zu einem Tonträger geführt hat, mit denen er aber regelmäßig auf den Bühnen vorwiegend im deutschsprachigen Raum zwischen Sylt und Salzburg musiziert. Ständig hat er immer noch neue Pläne, Gelegenheiten und Optionen die er als erfahrener Gitarrist immer wieder nutzt. Einige haben sich dann aber als beständige, weil äußerst fruchtbare Zusammenarbeiten und Freundschaften herausgestellt mit denen Richie ganzjährig unterwegs ist. Er liebt es mit verschiedenen Musikern zu spielen die sich gegenseitig inspirieren. Hier beim Blue Wave ist der Virtuose an den akustischen Gitarren im Duo mit US-Harmonika-Urgestein Kellie Rucker auf der Bühne. Und auch sie hat in ihrer Karriere schon einiges auf dem Kerbholz. Schon der Beginn als Gast bei den L.A. Guns und Coco Montoya sowie Mitglied bei Buddah Heads. Geboren in Oklahoma City lebte sie an verschiedenen Ecken der USA. Mit 11 Jahren begann sie Harmonika zu spielen und erste eigene Band war Blues For Breakfast. Sie stand mit fast allen großen Namen der US-Blues-Szene auf der Bühne. Das ist der Ritterschlag, weitere Ausführungen über die Qualität ihres Gesangs und Harp-Spiel ist deshalb völlig unnötig. Ich treffe die gutgelaunte Grand Dame der Blues-Harp zufällig im Chill-Bereich des Regenbogen Camp neben einer (leeren) Magnum-Flasche Champagner, komme mit ihr ins Quatschen, auch über persönliches, wie damals mit dem kreativen Kopf der Bluesbreakers John Mayall in einem kleinen Freiburger Club. Auch sie erzählt persönliches, über ihre US-Heimat, ihre Mutter, ihr jetziges Zuhause Italien. Zum Abschluss schauen wir uns in die Augen, sie holt lässig eine CD aus ihrer Umhängetasche, signiert sie und schenkt sie mir mit einem einnehmenden Lächeln. Ich sagte es bereits, ich habe die Grand Dame der Blues Harp getroffen. Beim Blue Wave in Binz spielt sie zusammen mit Langzeit-Duo-Partner Richie Arndt zwei extrastarke Akustik-Sets. Nur zwei harmonierende Stimmen und zwei akustische Instrumente, mehr braucht es manchmal nicht um Gänsehaut zu erzeugen, schafft auch nicht jeder, aber Kellie & Richie federleicht. Leider wieder bei solchen Stars der Blues-Szene enttäuschend wenig Publikum, aber wer dabei war, erlebte zwei magische Auftritte, zuletzt in der glutrot untergehenden Sonne über der Ostsee.

Roger C. Wade & The Houserockers – Seit Anfang der 90er spielte Mundharmonikaspieler und Sänger Roger Wade in deutschen Bluesbands. Recht schnell gründete Roger seine Band Excuse My Blues zusammen mit seiner Frau Marion am Klavier. Das Band-Projekt Little Roger & The Houserockers wurde von Marion & Roger Wade nach einem mehrmonatigen US-Aufenthalt, wo sie mit unzähligen namhaften Blues-Musikern an allen Ecken der Vereinigten Staaten zusammenspielten, nach Rückkehr 1994 gegründet. Bereits 1996 erschien ihr Debüt Jumpin` The Blues, nach drei weiteren Werken zuletzt 2017 Good Rockin` House Party, ein mit Retro-Technik Live im Studio ohne Gastmusiker eingespieltes Werk, purer Blues wie bei ihren energiegeladenen Auftritten in Binz und Göhren. Erstklassiger Chicago Blues, Boogie-Woogie, Rhythm and Blues und swingender West Coast Jump Blues ist, was die Houserockers seit fast 30 Jahren in zahllosen Clubs und bei Blues Festivals in ganz Europa präsentieren. Es gab in dieser langen Zeit natürlich einige Besetzungswechsel, die Konstanten sind aber bis heute Marion mit ihrem treibenden, rollenden Pianospiel und Roger mit kraftvoller jedoch sensibler Blues-Harp und Gesang. Ihrer Liebe zum Blues und unverwechselbaren Rhythmus begeistern stets durch ihre dynamische Live-Show, die „jedes Publikum mit müden Beinen, wunden Händen und lächelnden Gesichtern zurücklässt.“ Inzwischen sind Marion & Roger in verschiedenen anderen Projekten und Bands aktiv, an dieser Stelle möchte ich deshalb die beiden Doppel-CD’s Lockdown Sessions (2020/22) erwähnen, sind stetig fürsorgliche Förderer der jungen talentierten Blues-Wilden. So kommt es, dass auf den verschiedenen Bühnen in Binz immer neue Konstellationen entstehen und spielfreudig musizieren. Mal mit Mitgliedern von Ginger Blues auf der Hauptbühne, dann mit Slide-Wolf Stef Rosen als Duo mit Roger. Diese variablen Ensembles haben im Blues-Camp Göhren ebenso stark musiziert. Die Houserockers von Marion & Roger widmen sich stets voll und ganz Ihrer Liebe zum Blues, begeistern durch dynamische und ideenreiche Auftritte das Publikum. Danke Mary-Ann und Roger !!

Den zweiten Teil der gekoppelten Blues-Geschichte Rügen erzählen wir im Beitrag Blues Camp 2023 - Göhren auf Rügen !! [Christa & Roland Koch]

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