Brit Barde: Iain David McGeachy – John Martyn (UK)

Veröffentlicht am 4. Mai 2025 um 22:27

Genialer Komponist und Musiker, aber auch ein Kämpfer gegen seine DämonenOma, Hamish, Nick & John – Er hatte doch insgesamt noch etwas mehr Glück, sonst hätte er auch wie sein zeitweiliger Mitbewohner Nick Drake, Paul Kossoff oder einige andere Brit-Barden seinen Platz bei den früh verstorbenen tragischen Rockern.

Trotzdem bringt auch die Lebensgeschichte von Order Of British Empire John Martyn, am 11. September 1948 als Iain David McGeachy in einem fernen südlichen Stadtteil Londons geboren, als Einzelkind zweier geschiedener Opernsänger aufgewachsen, eine Menge skurriles und spannendes auf den Tisch. Er wird im schottischen Glasgow bei der Oma groß, lernt dort auch das Gitarrenspiel und die Folk-Musik lieben. Folk-Barde Hamish Imlach ist sein Lehrer und Mentor, er spielt zuerst in dessen Band, später geht er für seine Solo-Karriere zurück in die Heimat nach London. John war ebenso wie Nick Drake (Zitat: Diese ganze Verehrung ist zu spät, wenn man tot ist !!), Robert Wyatt oder Richard Thompson ein Grenzgänger zwischen Blues, Folk, Jazz, Rock und obendrein ein Suchender auch nach neuen Klängen und Ausdrucksformen, vereinigte das alles zu einem neuen eigenen Stil. Leider kommerziell nicht so erfolgreich und aber sehr beachtet bei vielen Kollegen.

Beverly & John – 1967 bekam Martyn einen Vertrag beim renommierten Label Island Records, bei dem waren unter anderem auch Nick Drake und Richard Thompson unter Vertrag, nahm im selben Jahr das Debüt London Conversation mit 11 Eigenkompositionen und dem Dylan-Cover Don't Think Twice, It's Alright auf. 20 Jahre bestand die Zusammenarbeit mit Island, führte zu weiteren 12 Alben, endete 1987 mit Nummer 14 Foundations. Er begann früh seine Elektro-Experimente auf der Gitarre, mit Fuzzbox, Phase-Shifter & Echoplex, einer variablen analogen Laufzeit-Verzögerung. Aufgrund seines Talents und Offenheit für viele andersartige einheimische und fremder Musikstile war er beliebt, geschätzt und bekannt bei vielen seiner Kollegen. Schon The Tumbler (12-1968) wurde von Al Stewart produziert. 1969 lernte er Folk-Singer-Song-Writer Beverly Kutner kennen, sie heirateten schnell, der zweijährige Wesley wird adoptiert und 1971 ihre Tochter Mhairi geboren, traten zusammen auf und nahmen als Duo sofort Stormbringer (02-1970) gemeinsam auf. Schon bei der Veröffentlichung ihres zweiten Albums The Road To Ruin (11-1970) wurde klar, dass ihre musikalischen Ziele nicht übereinstimmten. John war mit konventioneller Duo-Musik unzufrieden, suchte weiter nach seinem eigenen Stil und Markenzeichen. Sie ließen sich 1980 scheiden und sie veröffentlichte erst 1998 und 2014 wieder Alben (beide als Beverley Martyn). Beverley schreibt in ihrer Autobiographie Sweet Honesty – The Beverley Martyn Story (2011) in neun Kapiteln von ihrem Leben 1947 bis 2010 und natürlich auch, wie sie sagt, über die schwierigen 10 Jahre mit dem Mann der seine Karriere auf ihren Knochen aufgebaut hat. Über Martyn’s etwas andere Sicht und auch über die wechselhafte Karriere des Kämpfers gegen Dämonen, gibt es auch verschiedene nach seinem verfrühten Tod 2009 (mit 60 Lebensjahren) veröffentlichte Druckwerke, zuletzt Small Hours: The Long Night Of John Martyn (2020). Beverly hat gnädiger Weise bis nach dem Tod von John Martyn mit ihrer ehrlichen Biografie gewartet. Ihre frühe und spannende Geschichte (die sich für Beverley leider wiederholt) findet ihr am Ende des Beitrags.

Danny & John – Er arbeitet nun wieder ohne Einmischungen Solo und diese Phase zwischen 1973 bis Ende der 70er, mit dem nun sehr typischen Spiel und Gesang sowie Martyn’s besonderen Finger- und Zupf-Techniken auf akustischen Gitarren (teils mit Stahlsaiten und Effektgeräten), ist das zentrale Filetstück des britischen, rockigen Liedermachers. Bless The Weather (11-1971) noch mit Gast Beverley und in nur 3 Tagen im Studio aufgenommen, Solid Air (02-1973), Inside Out (11-1973), Live At Leeds (1975) mit Gast Paul Kossoff (auch so eine tragische Geschichte), One World (11-1977), Grace & Danger (10-1980), allesamt Meisterwerke, aber die Masse der Musikfans nicht erreichte. Kontra-Bassist Danny Thompson ist in dieser Phase fast immer an seiner Seite, aber temporär auch Richard Thompson, Chris Wood, Steve Winwood, Rabbit Bundrick, Lee Scratch Perry, Dave Pegg, Phil Collins und viele Brit-Stars mehr, später sogar auch David Gilmour. Typisch für seine Stimmung in dieser Zeit ist das düstere Album Solid Air, mit dem gleichnamigen Titelstück das seinem in der Zeit tragisch verstorbenen Freund Nick Drake gewidmet ist. Jeder Musikfan der sich für außergewöhnliche Gitarren-Musik interessiert, dem lege ich die vorher genannten Werke dieser Phase warm ans Herz. John’s starrsinniges Durchhaltevermögen und seine dämonischen Visionen haben sich gelohnt und uns vokal gestützte Gitarren-Perlen für die Ewigkeit hinterlassen.

Phil & John – In einer dreijährigen Studiopause zwischen 1973 bis 1977 tourte John mit wechselnden Gästen ausgiebig. Versuchte auch ein selbstproduziertes Live-Album zu vermarkten, aber auch um in einer Auszeit seine zunehmenden Alkohol- und Drogenprobleme zu kurieren. Das minimalistisch, jazzige Comeback One World, bei dem Steve Winwood maßgeblich mitwirkte, ist ein solider Neustart, brachte Martyn auch den Titel Father Of Trip Hop ein. Nach einer weiteren langen Pause ist zwar Grace & Danger anders, aber ein ebenbürtiger Nachfolger. Das Album und besonders der Song Sweet Little Mystery war der Versuch der Verarbeitung der schmerzlichen Trennung von Beverly Kutner. Mit dem Produzenten und Mitmusiker Phil Collins hatte er hier einen echten Leidensgenossen, denn Frau Collins hatte auch mit Phil fertig. Für diese prägende Zeit kann ich den Rockpalast-Mitschnitt The Man Upstairs: In Concert In Germany 1978 (2007) vom 17. März 1978 im Audimax der Universität Hamburg empfehlen. Mehr Details siehe im Rockpalast-Archiv !!

Annie & John – Die 80er Jahre gingen weiter mit zwei recht erfolgreichen aber musikalisch durchschnittlichen Warner-Alben Glorious Fool (1981) und Well Kept Secret (1982) mit einer deutlichen, typischen Phili-Pop Handschrift. Martyn heiratet 1983 ein zweites Mal, Annie Furlong, die verstirbt bereits 1994. Die 90er Jahre bei Permanent Records plätschern dahin und die Arbeiten für Alben kommen und gehen, hinterlassen kaum bleibende Spuren in der Musik-Landschaft. Allen Veröffentlichungen durchgängig gemein ist aber weiterhin der besondere Stil in der Instrumentierung und dem Gesang. Das heißt John hat endlich nach 30 Jahren seine Markenzeichen gefunden, aber kommt aus dieser eingefahrenen Spur nicht mehr raus. Aus dieser Phase gibt es mit Gast David Gilmour einen interessanten Mitschnitt aus dem Shaw Theatre, London vom 31. März 1990 als Live (1995). Später wurde das Doppel-Album noch mehrfach auf anderen Labeln veröffentlicht, zuletzt als Classics Live (2004).

Teresa & John – Auch die Zeit nach dem Tod seiner zweiten Frau Annie hat viele interessante Aspekte. Martyn konnte eine neben seiner Wohnung gelegene alte Kirche kaufen, in der er seitdem mit seiner neuen Partnerin Teresa Walsh lebte. In dieser Zeit entsteht in einem Glasgower Studio das gute, ebenfalls unbeachtete, aber für ihn ungewöhnliche Album The Church With One Bell (Independiente, 1998). Zehn ungewöhnliche Cover-Songs jedoch durch seine unverwechselbare Handschrift geprägt. Die Spannbreite geht von den frühen US-Blues-Cracks, über Randy Newman, Rick Danko, Ben Harper, bis Dead Can Dance und Portishead. Kumpane Phil Collins regte in der Folge an, auch wegen der Erfolglosigkeit, die Vorgehensweise beim Komponieren zu ändern, neue Stücke mit Tastengeräten anstatt seiner Gitarre zu komponieren. 2000 veröffentlichte er auch bei Independiente das auf dieser Basis erarbeitete Album Glasgow Walker, mit einigen melancholischen, sanften, nicht so sperrigen Stücken und das Werk wird von den Kritikern gut aufgenommen, mehr nicht.

Elisabeth & John – Martyn gründete Ende der 90iger auch sein eigenes Label One World Records (Mutterlabel: Voiceprint). Dort veröffentlichte der bereits sehr vom Leben gezeichnete und mit gesundheitlichen Problemen kämpfende John in den nächsten 2000er Jahren eine ganze Reihe von Konzert-Mitschnitten und Kompilationen. Hier sind das Doppel-Alben Classics (2000) und die Box I'd Rather Be The Devil ‎(2009, 6CD+2xDVD, beinhaltet auch Classics und Classics Live) zu erwähnen. 2003 musste ihm 55-jährig wegen einer Zyste der rechte Unterschenkel amputiert werden, so dass er nun nur noch im Rollstuhl sitzend auftreten konnte. Mit On The Cobbles kommt 2004 dennoch ein akustisches Album mit neuem Material, John Martyn’s letztes Album zu Lebzeiten. Vor seinem Tod hatte er mit den Arbeiten an einem weiteren Album mit neuem Material begonnen, Heaven And Earth (2011) wurde dann posthum von den beteiligten Musikern fertiggestellt. Iain David McGeachy aka John Martyn war nicht der sehr gesund lebende Mensch und Musiker, unabhängig von seiner skurrilen Lebensgeschichte und dem ruinösen Leben. Rauchen, Alkohol, Drogen, Tabletten, Lebenswandel hinterlassen mehr oder weniger Spuren bei jedem Menschen. Er hatte es dann am 29. Januar 2009 hinter sich, stirbt im Alter von nur 60 durch eine doppelseitige Lungenentzündung im irischen Krankenhaus in Thomastown. Zu Neujahr 2009 wurde Martyn durch Königin Elisabeth II. zum Officer Of The Order Of The British Empire ernannt. Leider konnte er den Orden, selbst im Rollstuhl, nicht mehr abholen, und auch der Weltruhm blieb bis heute tragischer Weise aus. [B: Promo & Cover, T: Roland Koch]

Brit Barde: Beverley Kutner – Beverley Martyn (UK)

Where The Good Times Are: The Lost Album (1967/2018)Beverley Kutner (24-03-1947) hatte als Mitglied von The Levee Breakers begonnen, die 1965 eine Single und 1966 und 1967 zwei Singles als Beverley veröffentlichten. 1966 war die englische Sängerin, Songschreiberin und Gitarristin Beverley Kutner gerade erst einmal achtzehn, aber bereits ein bedeutender Teil der aufblühenden, britischen Folk-Szene, als sie bei der Firma des Produzenten Denny Cordell als eine der ersten Künstlerinnen unterschrieb. Denny hatte Londons Session-Musiker-Elite zusammengetrommelt; Jimmy Page, John Paul Jones, Nicky Hopkins, John Renbourn, Mike Lease, Alan White; um die Lieder von Beverley einzuspielen zu lassen und ihnen damit den richtigen Schliff zu geben. Auch ein paar ausgewählte Donovan-Songs und einige Blues-Cover; Me And My Gin, Gin House Blues, Stormy Monday Blues, Picking Up The Sunshine; nahmen sie gemeinsam auf. Beverley’s Randy-Newman-Cover Happy New Year war ihr Single-Debüt (B: Where The Good Times Are) als Beverley sowie auch das Debüt bei Deram Records (DM 101).

Bereits in der Frühphase und im späteren Verlauf der ersten Monate traten immer stärker und erschreckende musikalische Unterschiede zwischen Beverley und Denny zutage. Es gipfelte dann darin, dass sie sich beim Titel Sweet Honesty weigerte passgenau auf Dennys Arrangement zu singen. Bei der zweiten Deram-Single (DM 137, A: Museum von Beverley) änderte Denny dann eigenmächtig die B-Seite, ersetzte ihre favorisierte eigene Gesangsspur durch seine eigene Auswahl. Schlimmer, er veröffentlichte ohne Gesangsspur !! Das Lied A Quick One For Sanity (Eine schnelle Nummer für die Vernunft) wurde dann aus rechtlichen Gründen unter Denny Cordell Tea Time Ensemble veröffentlicht. Das alles führte zu irreparablen Schäden innerhalb ihrer musikalischen Beziehung und damit war ihre weitere Zusammenarbeit Geschichte. Die Aufnahmen zum Album Where The Good Times Are wurden unterbrochen und die Bänder verschwanden ohne veröffentlicht zu werden im Archiv.

50 Jahre später haben nun Fly Records die im Archiv gelagerten Session-Bänder ausgegraben, restauriert und technisch auf den heutigen Stand gebracht. Und sie haben nun endlich dieses Debüt so veröffentlicht wie Beverley es damals 1967 (mit einer Ausnahme) schon haben wollte, gemischt in der Denny’s bevorzugten Mono-Mischung. Drei von Beverley’s Liedern, Get To The One I Want To, Tomorrow Time und Sweet Honesty, tauchten später auf Stormbringer von Beverley & John Martyn auf. Aber dennoch sind diese Ur-Versionen, auch wegen der exzellenten Studio-Band, echte Folk-Geschichte und unverzichtbare Zeitzeugnisse, immer noch (oder wieder) sehr groovy! Alles was hier noch fehlt, ist die Gesangsspur. Eine furchtbare Geschichte findet damit ein spätes aber doch noch glückliches Ende.

Where The Good Times Are: The Lost Album (1967/2018, HIFLY 41): 1. Where The Good Times Are (2:40), 2. Get To The One I Want To (2:35), 3. Tomorrow Time (2:15), 4. Me And My Gin (3:59), 5. Museum (2:32), 6. Call It Stormy Monday (But Tuesday Is Just As Bad) 5:18, 7. Picking Up The Sunshine (3:58), 8. Happy New Year (2:05), 9. Sweet Honesty – Backing Titel (2:30), 10. Where The Good Times Are – Alternative Version (3:42). [Roland Koch]


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