Braucht man hier am Fels eine Security für die Security?? – Der Donnerstag im Weinstübchen unten in Sankt Goarshausen mit zwei Bands und der Freitag oben auf dem Festival-Gelände an der Rheinschlucht nähe Loreley mit sechs Formationen hat die ausgehungerten Fans schon mal richtig gesättigt.
Es ist immer wieder ergreifend, eine Suite wie Echoes von Pink Floyd in so einem herausragenden Vortrag (hier von Nick Mason & The Saucerful Of Secrets) erleben zu dürfen. Aber auch die Celtic-Rocker Melanie Mau & Martin Schnella zur Eröffnung am Donnerstag beim Vorglühen unten in Sankt Goarshausen waren nach Meinung vieler Besucher ein echt stimmungsvoller Einstieg. Eigentlich wollte ich/wir nach 2022 keine Berichte mehr für Night Of The Prog machen, aber es kam dann doch anders. Zum einen mußten wieder Beiträge für das Empire-Programmheft erstellt werden, das habe ich als Pate für xx und Ritual gemacht. Zum anderen wollte ich damit das Label Tempus Fugit von Dirk Jacob unterstützen. Dirk feierte am 14-07-2023 die Veröffentlichung von gleich zwei seiner Schützlinge, FUCHS (Too Much Too Many) und Marek Arnold (Marek Arnold's Artrock Project). Der dritte Grund war, das mich mein Kollege Bodo Kubatzki dazu überredete doch für den Samstag einen Bericht zu machen. Alle Texte sind hier zusammengefasst !!

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11_Oliver Wenzler

12_Bodo Kubatzki
Ich zitiere sofort zu Beginn Aëdon selbst: „Vielen Dank, Night Of The Prog Festival!! Ihr wart ein wundervolles Publikum, das uns auf der Bühne viel Selbstvertrauen gegeben hat. Wir möchten auch allen Mitarbeitern der Loreley Bühne danken, die diesen Tag zu einer sehr reibungslosen und sorgenfreien Erfahrung gemacht haben.“ Zwei Aussagen die ich so schon nach zwei Festivaltagen uneingeschränkt bestätigen kann. Der Blick auf die Bühne war diesmal sensationell gut, auch die Legion von Fotografen und die Besucher hatten es dadurch komfortabler und genussvoller. Hier sofort ein großes Kompliment an den Veranstalter Win Völklein. Was muss Aëdon für ein Selbstbewusstsein haben, wenn man mit insgesamt sieben auf den EP’s Leaves Turning Red und Raise Your Voice offiziell veröffentlichten Titeln, hier auf der Ehrfurcht einflößenden Loreley Bühne aufspielen möchte. Das hat uns das junge deutsche Quartett aus Mülheim/Ruhr, mit ihrem zeitgemäßen, progressiven Rock und auch sehr guten unverkopften instrumentalen Handwerk mal souverän gezeigt. Dass sie was können, haben sie seit 2013 bei zahlreichen Festivals, Club-Auftritten, sogar 2017 in China, bereits unzählige Male gezeigt. Zwischen dem ruhigen, oftmals melancholischen Zusammenspiel von Gitarren und Keyboards, untermalt mit melodischem Gesang von Gitarrist Simon Gatzka und eindringliche Refrains, mischen sich auch mal härtere Gitarrenriffs und Solos von Max Krüger. Es schwierig einzelne Songs herauszuheben, weil das ganze einstündige Repertoire wie aus einem Guss und homogen wie bei einem Konzept daherkommt. Man merkt dieser eingespielten Band tatsächlich an, das sie gerne miteinander auf der Bühne stehen, eine starke Kraft verbindet Simon und Max mit Schlagzeuger Stephan Nabbefeld und Alexander Dachwitz (Bass). Damit ein frühes Ausrufezeichen und hochlegen der Messlatte am längsten Festivaltag beim Night Of The Prog 2023.
Wann hat man als Betreiber eines kleinen Labels mal das Glück tatsächlich zwei herausragende Studio-Alben aus deutschen Landen von zwei außergewöhnlichen Multi-Instrumentalisten an einem Tag in die Musik-Welt zu katapultieren, das ist fast schon eine Sternstunde. Dirk Jacob von Tempus Fugit hatte diese sicher am Festival-Freitag mit dem ersten fantastischen Solo-Album Marek Arnold’s Artrock-Project, wir berichteten im letzten Empire-Heft über das Album und dem ebenso hörenswerten Konzept-Album Too Much Too Many vom Stuttgarter Hans-Jürgen Fuchs. Ich las kürzlich passend; „der fünfte Streich der Prog-Schwaben, das bisher stärkste und gelungenste Werk überhaupt.“ Stimmt genau, und auch hier die Gemeinsamkeiten der beiden Ausnahme-Musiker. Marek Arnold und Hansi Fuchs haben vieles weitere gemeinsam, beispielsweise, dass sie Musiklehrer, Komponisten, Texter, Produzenten, Studiobetreiber, wieselflinke Keyboarder sind, in ähnlichem professionellen Fahrwasser schwimmen, mit mehreren Frontstimmen arbeiten und mit extrem erfahrenen Personal auftreten. Marek auch mit seiner Formation Seven Steps To The Green Door und Hansi mit seinen sechs Mitmusikern; Baggi Buchmann und Michael Wasilewski (Front-Gesang), Ines Fuchs (Keyboards, Gesang), Andy Bartzik (Gitarren), Florian Dittrich (Schlagzeug) und Henrik Mumm (Bass) als FUCHS. Und Hansi’s gemischte Formation spielte schon auf Startplatz zwei am Samstag phänomenal auf. Die Musiker, wie auch das regengeschützte Publikum, ließen sich nicht vom einzigen starken Regenschauer der gesamten viertägigen Festivalzeit die Spiellaune verderben oder aus der Ruhe bringen. Hier wie da erlebten sie gemeinsam die Geburtsstunde fast aller dieser neuen Kompositionen Live in Bild und Ton auf der diesmal sehr aufgeräumten von überall gut einsehbaren Bühne. Auch die Tontechnik, die für diese komplexe Lyrik, mehrstimmigen Gesang und symphonischen Klanglandschaften äußerst wichtig ist, war in diesem Jahr dankenswerterweise sehr gut und dass über alle vier Tage auf beiden Bühnen. Wer dachte, die Musiker im gesetzten Alter würden im Stil der alten Garde der 80er musizieren, der hatte sich völlig getäuscht. Hansi und seine Truppe präsentierten stolz das einstündige Material im modernen Gewand. Natürlich erinnert das melodiöse Keyboard-Arsenal von Ines und Hansi gelegentlich an vergangene Helden, aber mir hat der zeitgemäße Vortrag sehr gut gefallen und auch hier ist wieder die Verbindung zu Marek und seinem Werk. Das Motto des Albums: „Sie haben Erfolg im Leben, wenn Sie nur das wirklich wollen, was Sie wirklich brauchen“, darin steckt eine Menge wahres Leben. Bescheidenheit würde aktuell manchem guttun, FUCHS bestimmt nicht, denn die haben ein großartiges Werk würdig präsentiert und ihre Chance echt genutzt.
Venus Principle, bereits im Herbst 2019 vor der Pandemie gegründet, oder sollte man vielleicht Crippled Black Phoenix ohne Grummler Justin Greaves sagen. Denn bis auf den Schweden-Tieftöner Pontus Blom haben alle anderen fünf Mitglieder mal bei der modernen britischen Rock-Truppe gespielt. Irgendwie haben sie den Kontakt untereinander nicht verloren. Sie spielen elf Stücke ihres einzigen aber sehr starke Debüt Stand In Your Light, und das exakt in der Reihenfolge wie auf dem Studiowerk. Aus Zeitgründen, der Auftritt ist 60-minütig, fehlen nur die zwei letzten Stücke der Bonus-CD der limitierten Version. Auf welcher Seite fängt man an das Pferd aufzuzäumen, bei Justin der für sich in Anspruch nimmt er habe den CBP-Klangkosmos erfunden. Oder bei der Schar seiner Mitstreiter, die nun dieses britisch-schwedische Kollektiv bilden und die Alternative-Rock-Melange damals mit kreiert und zum Leben erweckt haben. Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Sicher ist, dass die Musik, das habe ich tatsächlich hier an der Loreley erlebt, eine Herzensangelegenheit für diese Band ist. Man spürt das sie gerne zusammen musizieren, merkt sofort deren Erfahrung und Spielfreude, die Melodien wirken manchmal etwas düster, dennoch verlieren sie sich nicht darin, sondern als starken Kontrast gibt es immer wieder zartere Momente der Hoffnung und Wärme. Hier ist das Wort Gänsehaut oft nicht unangebracht. Das verweben von so gegensätzlichen Tempi, Rhythmik oder Dynamik schaffen nur ausgezeichnete Fachleute. Ich habe damals sehr bedauert das Anathema eine künstlerische Pause einlegt hat. Nun tritt mit der klassischen Rockband Venus Principle fast übergangslos wieder eine ebenso starke Truppe aus dem Schatten in das Licht der Scheinwerfer, begeistert die Anhänger von Rock und Metal gleichermaßen. Ein bärenstarker Auftritt der mich hoffen lässt, dass noch einiges zu erwarten ist.
Foto-Galerie Samstag: Night Of The Prog 2023 – Loreley am Mittelrhein
Der Mittelteil des Samstags hält für uns schon am frühen Abend wieder einmal ein französisches Gala-Menü mit Verbindungsglied zwischen klassischer Rockband und facettenreicher Rock-Revue präsentiert von Carducci & The Fantastic Squad bereit. Ich wusste bereits im Vorfeld von dem sympathische Pärchen Mary Reynaud & Frank Carducci aus Lyon wohin die Reise gehen wird, denn wir hatten das Vergnügen sie als Duo im Forum 19 in Veruno am Lago Maggiore in Club-Atmosphäre als Vorspeise des 2 Days Prog + 1 (Edition 2022) erleben zu dürfen. Dieses Jahr erschien dazu passend das Duo-Album Naked. Und sie haben mit ihrer Hauptspeise nicht zu viel versprochen. Es war klanglich und visuell ein Loreley-Spektakel. Um alles zu beschreiben was auf der Bühne von den fünf Musikern geboten wurde, sprengt diesen Rahmen. Aber wer nach lesen dieser Zeilen nun Geschmack auf mehr französisches Rock-Theater bekommen hat, dem empfehle ich, schaut euch die englischsprachige Revue an und lasst euch überraschen. Auf der Bühne kommen allen voran der mit seiner Doppel-Hals-Gitarre und feiner Robe ausgestattete Franck und zwei Frauen und zwei Männer. Links von ihn nimmt auf dem erhöhten Thron Léa Fernandez in der Trommelburg Platz. Man hat ab Hüfte freie Sicht auf die in einem opulenten rosa Bonbon-Kleid gewandete Dame. Davor der dämonische wirkende Gitarrist Barth Sky. Hinter Mary, ebenso erhöht und gut zu sehen der Keyboarder Cédric Selzer in seiner Keyboard-Abteilung, ebenso bunt gewandet. Alle Fünf sind verkleidet, wechseln auch die Kostüme. Besonders die Hauptdarsteller interagieren sehr oft miteinander, als Beauty & The Beast, auch als Romeo und Julia, mal als Menschen die sich zufällig suchen und finden. Dabei spielt Mary ihre Reize und die Fähigkeiten als Schauspielerin voll aus. Der Höhepunkt ist der Tanz, der an einen Derwisch erinnert, mit einem beleuchteten Kleid. Mary dreht sich, schwingt es wie ein Vogel mit ausgebreiteten Schwingen. Ach ja, Musik hat das Quintett auch ausdrucksstark und virtuos gespielt, Musik aus der gesamten Schaffenszeit von Frank Carducci, alles für diese Revue neu geplant und arrangiert. Wer bisher noch nicht das Vergnügen hatte Carducci & The Fantastic Squad mal erlebt zu haben, dem empfehle ich das Album The Answer: Live, dort hat man schon mal das komplette Programm in Audio-Konserve. Aber noch besser ist es, diese junge, französische Truppe unbedingt Live zu erleben. Sie werden auch das deutsche Publikum noch oft erfreuen, davon bin felsenfest überzeugt.
Ich bin jetzt nicht ganz neutral, denn ich liebe die Zwillings-Gitarren-Musik der Briten Wishbone Ash total, habe sie in verschiedenen Inkarnationen seit 1973 mehrmals erlebt. Andy Powell ist bis heute über jeden Zweifel erhaben, denn er ist Gründer der Band, ein sehr guter Gitarrist und nach wie vor die Antriebsmaschinerie seit Ende der 60er. Das Quartett spielte wie immer ein Potpourri von Titeln aus verschiedenen Phasen, der Kern ist aber wie bei Woodstock Forever 2022 zu erwarten: Material der ersten drei Alben. Im zentralen Feier-Block werden die meisten Texte lautstark und textsicher im vielkehligen Chor mitgesungen, Phönix als letzten Titel und Blowin Free ist Zugabe und Abschluss. Die gut eingespielte Band mit Gitarren-Wunderkind Mark Abrahams, Basser Bob Skeat und Schlagmann Joe Crabtree arbeiten wie bei jeder Mannschaft von Andy Powell stark auf den Chef zu, haben aber auch wie immer ihr eigenes Instrumentenleben. Auch bei dieser WA-Formation hat man das Gefühl eine Band musiziert homogen miteinander, nicht wie ein paar Kollegen, die alte Hits von Andy Powell spielen. Mir hat es gefühlt zum 20igsten mal gut gefallen, trotz einiger kleiner Fehler beim Gitarrenspiel oder an den Übergängen einzelner Teile der Titel. Wir werden alle älter, auch unser Rutengänger Andy Powell. Was soll jetzt noch kommen und wer soll das noch toppen. Vielleicht noch ein Prog-Dino aus den 70ern.
Wie schön wäre es, die fünf britischen Genesis-Prog-Apostel mal wiedervereint erleben zu dürfen und das sie ihren musikalischen Segen über die übergroße gealterte internationale Pilgerschar ausbreiten. Träumt weiter. Wenn euch die fantastischen, aber seltenen Auftritte von Peter Gabriel und Steve Hackett nicht reichen, dann ist euch nicht mehr zu helfen. Nichtdestotrotz ist natürlich eine Aufführung von beispielsweise Atom Heart Mother, wir berichteten letztes Jahr über Green & Symphonic Floyd, oder am Tag davor Nick Mason mit brillant gespielten Echoes. Und eben auch von den Franko-Kanadiern The Musical Box, das damals in Originalbesetzung nur eine Handvoll mal aufgeführte Werk The Lamb Lies Down On Broadway. Und um es gleich zu sagen, die fünf Nordamerikaner haben dieses epochale Allzeit-Sahnestück nicht nur perfekt visuell, klanglich und fast originalgetreu kopiert, sondern durch ihre persönliche Note und der fantastischen Aufführung in einen weitaus höheren Level gebracht. Ich höre im Hintergrund die hartgesottenen Pilger schreien, Ketzerei, steinigt ihn, diesen Pharisäer !! Ja, das sind alles die Pilger, die The Lamb nie Live 1974/75 erlebt haben, nicht mitbekommen haben das damals einiges nicht geklappt hat, das Klangbild teilweise furchtbar und das Licht sowie Effekte teils unfertig wirkten. Gut, ich war nur bei zwei Aufführungen dabei und es ist eine subjektive Meinung. The Musical Box haben nun diese Genesis-Messe mit dem Segen der Prog-Apostel auf vier Tourneen seit 2005 dutzendfach präsentiert und man hat bei der Publikumsresonanz hier am Felsen nicht das Gefühl, das war das letzte Mal. Warum auch nicht, solange genug Zuschauer vor der Bühne stehen oder demnächst sitzen, spricht nichts dagegen diese Prog-Messen in dieser sehr würdigen Form weiter aufzuführen. Einige Termine sind ja für April 2024 mit Selling England By The Pound bereits bestätigt. Als Zugabe gibt es heute beim NOTP The Musical Box und Watcher Of The Skies, passt alles wunderbar. [B_T: Christa & Roland Koch]

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