Ein Festival-Klassiker, Motto „We Love Herzberg“, geht ins 55er Jubiläum – Großartige Freiluft-Festivals praktisch im Wochen-Rhythmus: Freak Valley – Night Of The Prog – Zappanale – Krach Am Bach – Herzberg Festival – Aqua Maria – Woodstock Forever – 2 Days Prog + 1, und das hoffentlich wieder bei durchgängig prächtigen Sommerwetter, da ist erst einmal Standvermögen gefragt.
Das mit dem sommerlichen Wetter war der Plan auch für 2023, aber es kam leider ganz anders. Beim Night Of The Prog an der Loreley (darüber berichtete Stone Prog umfassend) hatten wir zuerst einmal wahrlich die Glücksfee auf unserer Seite. Wir verfolgten dort das heranziehende Unwetter auf dem Wetterradar, zogen uns in den Stand des Empire Magazin zurück, hielten gemeinsam mit gefühlt 20 Händen das Stand-Zelt fest. Aber wir hatten Glück, uns streifte nur ein Ausläufer. Mit einigen Regionen in Eifel, Hunsrück und Taunus hatte der Wettergott wieder einmal weniger Mitleid. Wie leider auch diesmal wieder die Hippies am Herzberg unterhalb der nachts farbig beleuchteten Burg-Ruine, hier feierte man im knöcheltiefen Matsch das 55er Jubiläum. Das Programm ist nun auf sieben Live-Stationen; Hauptbühne mit Festivalwiese, die gleichwertige Freak-Stage, das gemütliche Lese-Zelt, die klein-feine Mental-Stage, der psychedelische Höllenschuppen, die beiden Aktionsareale Kinderland und Humus-Hood sowie einem halben Dutzend Live-Musik-Bühnen bei den Ständlern; alles gut verteilt und überraschend noch üppiger als gewohnt. Auf den ersten Blick fehlen bekannte Mega-Stars, aber die Dichte an Qualität/Quantität ist enorm und das bestätigen die vier Programm-Tage We Love Herzberg mit breitestem Programm.
Dieses Hippie-Fest in der sommerlichen Idylle des nordhessischen Berglandes, dem wir bereits 2018 den Titel Power Of Youth gegeben hatten, ist sicher einzigartig im deutschsprachigen Raum, wenn nicht in ganz Europa. Die vom familiären Vorstand (Veranstalter) organisierte 7-tägige Feier, gut unterstützt durch langjährige Freunde & Nachbarn (Bauer Hof Huhnstadt, Technik, Helfer, Stände, Logistik), bringt aus allen Himmelsrichtungen die gut gelaunten Feier-Biester nach Freak-City und die Neue Heimat, da stört es auch diesmal nicht, dass mit wieder über 12.500 Menschen (und auch einige Tiere) die Belastungsgrenze des Areals erreicht wurde. Ausverkauft hieß es früh im Jahr und doch gibt es kaum Ausfälle, trotz mehrfach kurzzeitig Einfahrt-Stopp, widrige Wetterbedingungen mit fast durchgängig Regenschauern, sind die Besucher gelassen und entspannt, feiern an über ein Dutzend Live-Stationen mit dem Motto We Love Herzberg. Sie machen diesen traditionsträchtigen Ort wieder zu einem Treffpunkt von Liebe und Frieden. Und dass alles trotz schwerer (überstandener) Pandemie, Krieg in Europa, weltweite Resourccen- und Politik-Desaster, alles wird lebensfeindlicher und dann auch noch ein mieses Wetter wie eine Woche später auch in Wacken. Alles das sind hier und heute Nebensachen, wie wir bei gefühlt einhundert von uns geführten Gesprächen mit Besuchern, Sicherheit, Offizielle, vor und auf dem Gelände feststellen konnten. Sehr auffällig, kaum Regelverstöße meldet die Polizei, über wenig Verletzte berichten die Sanitäter, die Sicherheit spricht ausnahmslos über gutgelaunte Anreisende, die Logistik hat trotz furchtbarer Situation wegen morastigen Gelände beim Dauerregen nur positive Worte für die Benutzer der sanitären Anlagen.
Die Stärke dieses Festivals ist, wie wir bereits erwähnten, sicher nicht die Dichte übergroßer Namen. Wer die sucht sollte woanders feiern gehen und sich vielleicht enttäuschen lassen. Einige von den ganz Großen haben in den 55 Jahren aber auch hier schon schwer Federn gelassen. Auffällig ist wieder die Dichte der Qualität, selbst auf den Freak- und Mental-Bühnen, ja sogar auch im Trance-Bereich Höllenschuppen, im Lese-Zelt, sowie auch bei einigen Privat-Partys (siehe oben: Jule Nickschas & Satanic Hippies), treten nach ultrakurzen Umbau-Pausen erstklassige Künstler mit enormer Bandbreite auf. Und unter diesem wunderbaren Hippie-Flair ist es eine altersübergreifende einwöchige Non-Stopp-Kollektiv-Party. Jede Altersgruppe ist wie immer musikalisch gut versorgt, inklusive erweiterten Programmen für die immer dominanter werdenden, nachwachsenden, jüngeren Hippie-Generationen. Es ist tatsächlich sehr positiv, dass unser Herzberg-Festival tatsächlich diesen Wechsel sehr gut hinbekommen hat. Auch bei der Auswahl der Künstler wird erfreulicherweise noch verstärkter auch der Generationswechsel berücksichtigt. Wer früher unkte das Cynthia Nickschas & Friends (siehe unten rechts: Woodstock Forever 2022), Lola Marsh, Mayberg, My Baby (siehe unten links: Woodstock Forever 2022), Hang Massive, oder Orange hier auf der Hauptbühne wenig Publikum & Resonanz haben werden, wurde wieder eines Besseren belehrt. Wir sehen erfreulicherweise jedes Jahr mehr junge Leute die sich hier im zentralen Feierblock aufhalten und ungezügelt tanzen, singen, knutschen, mit allen Sinnen erleben. Die Feierdichte war insgesamt an allen Live-Brennpunkten trotz des Anti-Party-Wetters über das gesamte 4-Tage-Programm enorm hochwertig. Hatten wir 2019 ein extrem heißes Wetter wie in Nordafrika, diesmal war es leider entgegengesetzt, eine Dauerberieselung inklusive flächendeckenden Schlammschlachten.
Einen umfassenden Gesamt-Bericht über alle fast 150 auftretenden Künstler dieses Hippie-Spektakels zu verfassen, ist faktisch unmöglich, auch für uns nicht zu machen. Auch nicht, wenn man wie ein anderes bekanntes deutsches Musik-Magazin aus Aschaffenburg, mit Personal in Mannschaftsstärke auftritt. Ich habe es einfacher, habe mit Christa die Reporterin für das Rahmenprogramm, Händler und Gaukler sowie mit Marvin den Leuchtturm der bis zum Ende, manchmal bis in die frühen Morgenstunden, durchhält und dann danach noch den Technikern und seinen Kollegen vom Rockpalast-Team beim Packen hilft. Unschlagbare fleißige Helfer. Und was wurde tatsächlich geboten beim diesjährigen We Love Herzberg. Es gibt natürlich Programmpunkte die inzwischen Kult sind, beispielsweise die Eröffnung und Verabschiedung der Hippies auf der Festivalwiese, DJ Love Machine und DJ Electric der Mentalen (die sind inzwischen auch beim Woodstock Forever Dauergäste), der Gitarrenkurs von Bröselmachinist Peter Bursch, die imposante Parade des Kinderland, die bunt beleuchtete Burg Herzberg als Hüter des Areals. Das Line-Up auf den fünf Bühnen über alle vier Tage war auf sehr hohem Niveau. Allgemein hörte man überall, dass wieder die großen Namen vermeintlich fehlten, aber Staraufgebote gab es die Jahre zuvor zuhauf und die Stars garantieren nicht immer erstklassige Leistung. Ich könnte euch nun einhundert TOP-Acts von 2007 bis heute aufzählen und beschreiben, teils nachzulesen bei Klingende Orte 2, dennoch beschränken wir uns hauptsächlich auf die beiden großen Schauplätze.
Herzberg Festival 2023: Donnerstag – Breitenbach, Nordhessen
Internationaler Frauentag – Am Donnerstag hatte nach der traditionellen Eröffnungsmesse die zierliche Straßenmusikerin & Liedermacherin Cynthia mit Band, die auch letztes Jahr beim Woodstock Forever voll überzeugte, auch hier am frühen Nachmittag einen famosen Auftritt. Zweiter Startplatz, wieder Frauen-Power mit Pristine und Frontröhre Heidi Solheim aus dem norwegischen Tromsö hinter dem Polarkreis. Da kommt trotz Matschteppich schon mal mehr Bewegung ins Publikum. Mit der Kleingeldprinzessin Dota Kehr, die eine ähnliche familiäre- und Karriere-Geschichte hatte wie Cynthia, wurde mit Bandgefüge DOTA wieder etwas runtergebremst. Runde vier geht erneut an die Frauen, diesmal exotischer mit Fatoumata Diawara, einer international anerkannten Musikerin und Schauspielerin aus Mali, die an der Seite von vielen Stars auf der Bühne und im Studio stand. Später kommt noch einmal mit dem Amsterdamer Trio My Baby, man erkennt es bereits am Namen, eine phänomenale niederländisch-neuseeländischen Band natürlich mit Power-Frontfrau Cato. Das Trio My Baby hatte auch schon 2022 zu sehr später Stunde die Zuschauer beim Woodstock Forever auf eine gemeinsame Reise mit in den nächtlichen Orbit genommen. Die skurrile Elektro-Welt des progressiven Alternativ-Indie-Rock von Cato & Joost van Dijck und Gitarrist Daniel de Vries, harter treibender Blues-Rock trifft auf moderne Elektro-Beats. Dass alles geschickt zusammengesetzt, mit ausgeklügelter Technik verfeinert sowie durch Licht- und Visual-Effekten verstärkt, ist genau das was die Feierwütigen am Eröffnungstag brauchen bis zum Morgengrauen. Als einzige Männertruppe treten am Tag Eins das Quartett Long Distance Calling aus Münster an. Die bereiten mit ihren langen, energetischen Titeln, die meisten aus den letzten drei Studioalben, dann später den Weg für My Baby. Wer das komplette Tagesprogramm erlebt hat, wird nicht nach Stars schreien, die hatten wir heute ja.
01_Höllenschuppen
02_Höllenschuppen
03_Hippie-Chill-Bereich
04_Welcome Inside The Brain
05_Welcome Inside The Brain
06_Welcome Inside The Brain
07_Welcome Inside The Brain
08_Welcome Inside The Brain
09_Welcome Inside The Brain
10_Long Distance Calling
11_Long Distance Calling
12_Long Distance Calling
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