Der idyllisch fließende Finkenbach hat das TOP-Festival weiter begleitet !! – Ich habe eine gemütliche Nacht in meiner Premium-Unterkunft, dank Holger und sein Organisations-Kollektiv mit direkten Blick auf das Festival-Gelände. Heute heißt es Kräfte sparen, es wird ultraheiß, bereits fünf Festivaltage (vier vorher in Bamberg) hinter mir und heute sechs Formationen fast Non-Stopp vor mir.
Ein Kameraausfall ist zu kompensieren, die Sauerstoffversorgung Richtung Herz-Kreislauf-System und Arme & Beine muss optimiert werden. Aber jammern oder gar nachlassen geht nicht, jetzt noch „eine Schüppe“ drauf, wie wir aus dem Pott sagen. Gleich am frühen Nachmittag treffe ich durch Zufall einen Kollegen aus Mannheim. Dieter Wöhrle, der arbeitet zurzeit an einem Beitrag über den Musikschaffenden Norbert Schwefel, kommt mit seinem Film-Team, um wieder einmal für Guru Guru Originalbilder für eine weitere Dokumentation zusammen zu tragen. Siehe hierzu auch die DVD: Guru Guru – Mani's Gefährten. Schon am Freitag war eine Gruppe von wechselnd kostümierten jungen Leuten sehr auffällig, die in den Spielpausen unter den Zuschauern mit Aktionen für viel Abwechslung sorgten und bei Dunkelheit sogar mit spektakulären Feuerdarbietungen Akzente setzten. Sehr gute Entscheidung des Veranstalters, dieses Programm im Programm gibt es auch ausgeprägt beim Woodstock Forever Festival in Thüringen. Die Truppe war auch am Samstag vor Ort und erneut unermüdlich im Einsatz. Einige verschlafene Gestalten schleichen auch schon früh in der Nähe der Bühne herum und erfreulicherweise ist das Finkenbach-Team schon taufrisch voll bei der Arbeit. Unfassbar, was da von den Freiwilligen im Gelände und besonders im Versorgungszelt geleistet wird, um die hungrigen Feierbiester mit vielfältigen und köstlichen Essen und Getränken zu versorgen. Hier gibt es keinen Caterer, es ist fast alles von Kollektiv Dorf Finkenbach in Handarbeit hergestellt. Und weiter geht es dann kulinarisch gestärkt wieder vor die Finki-Bühne.
Hier spielt am frühen Samstagnachmittag zuerst einmal das junge aufstrebende Quartett Kant aus Aschaffenburg am Main groß auf. Einige Nachtschwärmer haben noch die Klänge der Schweizer Dirty Sound Magnet in Ohr und den Rhythmus in den Beinen, nehmen das nächtliche Psych-Rock-Szenario sofort wieder auf. Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie gut technisch ausgestattet Nachwuchsbands heute auftreten und wie professionell sie sich im Musikgeschäft bewegen sowie präsentieren. So auch Elena Strähle (Bass), Nicolas Jordan (Gitarren), Marius K. Seidel (Gesang, Gitarre, Flöte), Bryan Göbel (Trommelburg), die erfreulicherweise so früh am Tag schon kreativ und arbeitswütig sind. Diese sympathische Vierer-Bande vom Mainufer spielt sich souverän fast durch ihren gesamten Lieder-Katalog, Paranoia Pilgrimage (2024) komplett, drei Titel von When The Strangers Come To Town (2023) und auch neues Material. Kant traten etwas jugendlich lässig-leger bekleidet auf, auch das passte gut zur Ausrichtung ihrer sphärischen Musik. Der Auftritt früh zur Eröffnung war perfekt, kurzweilig und schreit unbedingt nach Wiederholung. Fazit: Sehr ordentlich präsentiert und Chance gut genutzt !!
Umschalten zur Tanz-Party mit „Indie-Reggae und brennenden Posaunen“. Dr. Woggle & The Radio aus der Nachbarschaft Weinheim trieb mit moderner Fusion aus Reggae, Ska, Soul und Funk die Temperaturen der Biomassen bei passendem sommerlichen Wetter noch ein paar Grad höher. War bei Kant die Bühne gefühlt etwas zu voluminös, nun war Kuschelfaktor angesagt. Zusammen mit dem Techniker waren 10 Männer in Aktion, da war Alarm auf der Bühne, aber auch im Feierblock. Sie machen ihre Heimat-Region seit Mitte der 90er unsicher und die Kern-Mannschaft besteht aus Nikolaus Weinheim (Gesang), Leon Walther (Bass), Lars Schwarz (Piano, Orgel, Keyboards), Toni (Schlagzeug), Kai (Posaune) Bibo (Gitarre), DonDee (Trompete), Florian Schropp (Saxofon). Sie waren bereits in der Corona-Zeit einmal zu Gast, damals mit dem Titel ihres fünften Albums „Drop Bombs To Lose“ (2018), waren damit der Zeit weit voraus, denn Kugeln, Bomben, Drohnen und Kampf-Jets fliegen der Welt zur Zeit genug um die Ohren. Ich habe schon einige Weltmusik-Big-Bands erlebt und ich weiß genau, wenn Musik stampft, rockt, swingt, dröhnt und trötet, was dann so abgehen kann. Und genau, was auf dem Wunschzettel stand ging voll auf, sommerliches kollektives, friedliches Feiern, immer mit Blick auf das Kühlwasser und Temperaturanzeige. Auf den Gesichtern der Musiker sah man, ja uns hat es auch Spass gemacht !!
Zum Abend hin gibt es wie am Freitag deutsche Rockgeschichte im Doppelpack. Zuerst einmal mit Guru Guru, die nach mehreren Jahren Zwangspause nun wieder mit dabei sind. Alle Fans, Festivalmacher und Band sind sicher erleichtert. Gitarrist Hans Reffert war ja überraschend Anfang 2016 verstorben, sein Nachfolger Jan Lindqvist hatte die Band 2020 ebenso verlassen, er war aber beim letzten Auftritt Guru-Fescht 2019 noch dabei. Hinzu gekommen ist nun Keyboard-Urgestein Zeus B. Held, der bediente bei Birth Control schon in der Frühphase ab 1973 fünf Jahre die zweifarbigen Tasten und diverse Knöpfe. Treibende Energiequelle und damit der Guru-Groove wird seit 1968 durchgängig von Bühnen-Akrobat und Orchesterleiter Mani Neumeier bereitgestellt. Rastlos, unermüdlich und weiterhin taufrisch, obwohl Mani mir inzwischen einige Alters-Narben einräumte, tourt Mani und seine Guru-Mannschaft seit Ende der 60er durch die Clubs Germaniens. Wer es nicht glauben will, hört sich The 1971 Bremen Concert (MIG, 2025) an. Guru Guru hat sicher fast alle Festivals und Krautfeste in unserer deutschen Heimat mehrmals bespielt, nun auch endlich wieder das Finki. Und ich freue mich, das Programm, das ich dutzendfach schon erlebt habe, noch einmal sehr hautnah von Zeus Bernd, Roland Schaeffer, Peter Kühmstedt und Manfred-Sensei beim diesem geschichtsträchtigen Festival präsentiert zu bekommen. Natürlichen inklusive aller Kapriolen von Mani; Klangerzeugung mittels Mini-Keyboard in Eigenbau, Konfetti-Kanone, Verkleidung zum Elektrolurch, kniendes Schlagzeug-Solo auf Topfdeckeln; er hat trotz seines hohen Alters seinen Schalk im Nacken nicht verloren !! Seine drei Compañeros aber auch nicht, Zeus mit seinem Indianer-Jones-Hut, Roland mit seinen skurrilen Holz-Pfeifen und Blondinnen-Perücke sowie Peter mit seiner Funktion als Ruhe-Pol. Einfach nur schön das noch einmal in diesem Rahmen erlebt haben zu dürfen.
Nach erneut kurzer Umbaupause steht mit dem Fusion-Trio Kraan ein weiterer deutscher Rock-Dinosaurier im Lampenlicht. Mehrfacher Wiederholungstäter, zuletzt 2023 und 2024 beim Finki, hatten sie eine ähnlich bewegte Geschichte wie die Neumeier-Truppe und über Jahrzehnte sogar viele Verbindungen zu ihnen. Die Geschichten von den Brüdern Peter Wolbrandt (Gesang, Gitarre) und Jan Fride-Wolbrandt (Schlagzeug) sowie Hellmut Hattler (Bass) sind seit 1968 mit Ulm und anfänglich der Band Inzest verbunden, ab 1970 dann Kraan. Und dieser harte Trio-Kern spielt, mit kleinen Unterbrechungen in verschiedensten Besetzungen nun nonstop 55 Jahre bis heute zusammen. Das allein ist schon ein unfassbarer Rekord für die Ewigkeit, denn mir ist keine Formation bekannt, die das bisher übertroffen hätte; diesmal hier dabei Jane, Agitation Free, Guru Guru; auch die können da nicht mithalten. In den Anfangsjahren waren noch Saxofonist Johannes „Alto“ Pappert (1971-76) und ab 1975 Keyboarder Ingo Bischof (2019 verstorben) dabei. Diesmal gibt sich auch wieder Tastenmann Martin Kasper die Ehre, dadurch kommen die vielen frühen Klassiker nahe an das originale Keyboard gestützte Klangbild heran. Wie immer spielen sich Kraan routiniert durch ihre klassische Titelliste von Andy Nogger über Holiday Am Marterhorn bis Let It Out und Borgward, Zugaben: Nam Nam und Sarah’s Ritt durch den Schwarzwald. Wieder wird deutlich, für welche Bands die Zuschauer gekommen sind, das Gelände ist randvoll und alle feiern sie die Helden der 70er. Für mich ist es wieder eine Zeitreise, da ich Kraan und Guru damals Anfang der 70er selbst oft erlebte, es ist heute wieder, wie damals, eine exzellente Kraut-Rock-Party.
Colour Haze aus München sind die Jam-Klang-Tüftler für die sehr späten Stunden. Auch bei denen ist Superlative angesagt, denn eine der ältesten deutschen Psych-Rock-Formationen besteht auch schon seit Mitte 1994 und wird seitdem vom singenden Gitarrist Stefan Koglek durch die farbigen Dunstwolken der Spielstätten geführt. Kumpel Manfred Merwald (Schlagzeug) sowie Keyboader Jan Faszbender (ab 2019, diesmal aber nicht dabei) und Basser Mario Oberpucher (ab 2020) sind nun die Mitfahrer im Stoner-Express. Sie haben inzwischen auch eine Einkaufstasche voll mit Alben veröffentlicht, aber ihre wahre Stärke zeigen sie meisterhaft beim Kreieren ihrer improvisierten Klanglandschaften auf Bühnen. Die Spannbreite geht von entspannt, schwebend, sanftmütig, leisen Melodien über intensiven, brodelnden, brummenden bis zornigen, lauten, wuchtig-wummernden Klängen. Wechselnde Rhythmen und packende Grooves, die den Zuhörer sogleich mitnehmen auf die ersehnten Hypno-Reisen, damit auch die Grundlage schaffen für eine gemeinsame ausgelassene Klangreise. Und genau das hat sich Finkenbach gewünscht und darauf gefreut. Und das bekommen die hungrigen Rock-Fans massig.
Zu den Klängen von bluesigen Alternativ-Rock der Hausband Detroit Blackbirds von Alex Auer muss ich leider das Finkenbachtal und das Odenwälder Feiervolk verlassen Richtung Heimat. Das erfahrene Quartett ist nunmehr ein weiterer Stammgast des Festivals, sind nun regelmäßig Festival-Abschließer am Sonntagmorgen. Schon drei Tage später bin ich dann zum Woodstock Forever 2025 Richtung Thüringen aufgebrochen, das ist aber eine andere wunderbare Geschichte. Aus der Sicht von heute kann ich sagen, zwei Hippie-Festivals, die sich in Sachen Programm, Technik, Gelände, Kulinarik, Emotionen, Herz- und Mitmenschlichkeit in nichts nachstehen. Den negativen Signalen des Kulturverfalls wird in Finkenbach und Waffenrod mächtig etwas entgegengesetzt !! Hier wie da wurde wieder deutsche Musikgeschichte geschrieben, hoffentlich noch sehr lange. Nächste Generationen, hört die Signale: wenn ihr Premium-Kultur weiter erleben wollt, spuckt in die Hände und helft mit. Ich bin mit dabei und zähle auf euch !! Bilder_Texte: Roland Koch
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